37/78 Tree again

Der erste Film in den USA. Im Zentrum gleichbleibender Einstellungen: ein Baum auf einer Wiese in Vermont. Da der Film über einen Zeitraum von fünfzig Tagen aufgenommen wurde, entsteht durch die Einzelbildaufnahmen ein Bildgewitter. Kren ließ - ähnlich wie bei den geschlossenen und offenen "Fenstern" von Asyl - zwischen den belichteten Kadern welche unbelichtet; er kurbelte den Film immer wieder zurück und belichtete nach und nach die bisher unbelichteten Stellen, jedesmal unter anderen Licht- und Wetterbedingungen. Verschiedene Zeiten schieben sich ineinander, nicht wie in Asyl in Gleichzeitigkeit, sondern in einer sich überstürzenden Folge. Kren drehte den Film auf einem fünf Jahre ausdatierten, darüber hinaus sehr empfindlichen Infrarotfilm - einem geschenkten Film übrigens.

Kren: Ich habe fünfzig Tage lang an dem Film gedreht, ohne Hoffnung, daß auf dem Film nur irgend etwas drauf sein würde. Und ich dachte, ich bin komplett verrückt. Das ist bei allen Filmen so, die ich gemacht habe - das Abenteuer, daß ich nie genau weiß, was kommt dabei heraus.
(Hans Scheugl: Die Filme, Eine kommentierte Filmographie, in: Scheugl, Hans (Hrsg.), Ex Underground Kurt Kren, Seine Filme)

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Michael Palm zu 37/78 Tree again von Kurt Kren

37/78 Tree again (gleichfalls in Einzelbildschaltung auf einem abgelaufenen Infrarotfilm gedreht) zeigt weniger das Abbild eines Baumes auf einer Wiese, sondern betreibt konsequent dessen Neu-Erschaffung als Kinobild. Zuerst sieht man nur einen Baum auf einer Lichtung stehen, eine Wiese. Doch sofort beginnt die Landschaft wild zu zucken und zu zappeln, Licht und Wetterstimmung wechseln sprunghaft, und das Bild entwickelt eine überstürzte Vitalität, die man von derlei Idyllen wohl kaum gewöhnt ist. Durch den ständig wechselnden Lichteinfall gewinnt der Baum an Plastizität, beginnt sich aus dem landschaftlichen Ensemble herauszuschälen, so als wollte er das Bild fliehen.

Man könnte meinen, Kren dokumentiere hier den Lauf der Zeit, nur eben beschleunigt. Doch in Tree again haben wir es nicht mit einem bloßen Zeitraffer zu tun, wie man ihn aus einschlägigen wissenschaftlichen Filmen kennt. Die Zeit wird nicht bloß beschleunigt, sondern zerstückelt, in einzelne Partikel zerlegt und zum Patchwork neu gefügt. Es scheint fast so, als erführe das referentielle Ab-Bild hier seine Apokalypse im rasenden Gewitter des wechselnden Lichteinfalls, im ständigen Wandel der ikonischen Qualitäten (Farbe, Kontrast etc.) und im diskontinuierlichen Schnellauf der Jahreszeiten. Wie ein verlorenes Paradies mutet deshalb das letzte Bild des Filmes an, das den Baum, jetzt wieder ruhig geworden, in "Realzeit" zeigt, wieder im scheinbaren Stillstand, nachdem ihm der Film erst Leben eingehaucht hatte.

(Michael Palm: Which Way?, Drei Pfade durchs Bild-Gebüsch von Kurt Kren, in: Hans Scheugl (Hrsg.), Ex Underground Kurt Kren. Seine Filme, Wien 1996)


Orig. Titel
37/78 Tree again
Jahr
1978
Land
Österreich
Länge
3 min 46 sek
Regie
Kurt Kren
Kategorie
Avantgarde/Kunst
Orig. Sprache
Kein Dialog
Downloads
Credits
Regie
Kurt Kren
Verfügbare Formate
16 mm (Originalformat)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Stumm
Bildfrequenz
24 fps
Farbformat
Farbe
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Tonformat
Stumm
Bildfrequenz
24 fps
Farbformat
Farbe