Surface Séance

Die Wahrnehmung wird, mit freundlicher Unterstützung der Trägheit des Auges, in Surface Séance auf eine harte Probe gestellt. Für Sekundenbruchteile nur blitzt die äußere Welt immer wieder in die Dunkelheit dieser Arbeit: nächtliche Blicke durch U-Bahn-Fenster und Straßenbahntüren auf neonbeleuchtete Zonen, auf Alltagsschriften, Firmenlogos und Nahverkehrs-Piktogramme. Der öffentliche Raum in farbenfrohen Fragmenten. Blink and you’ll miss it. 

Der Rahmen einer Fahrt mit den Wiener Linien wird hier zu einer besonderen Forschungsreise, denn der Filmemacher Michael Heindl nähert sich den Trivialitäten des Alltags mit konzeptueller Lust. Ein amorphes Wesen ist sein Protagonist, sein Bildzentrum; in schmutzigem Weiß taucht es aus dem brüchigen Schwarz auf, schiebt sich langsam nach vorn. Seine embryonal anmutende Form verändert sich unaufhörlich, es pulsiert wie ein mikroskopierter Einzeller, wächst sich zum grauen Springinsfeld aus: Es sind Körperspuren, Schmierflecken, gefunden an Glasscheiben und anderen Oberflächen, sie treten barsch gefettet oder filigran gestrichelt auf und reichen von amorphen Schlieren über Finger- und Handabdrücke bis hin zu Kussmündern, Smileys, Zahlen, Lettern und Symbolen. Der künstliche Sternenhimmel der Staubpartikel um sie herum gibt ihnen eine vage kosmische (und komische) Qualität. 

Flora Rajakowitschs Sounddesign betont die heiteren Aspekte dieses grenzabstrakten Unterfangens: Es spielt mit dem Quietschen der Finger auf den Scheiben und Bildschirmen, es verfremdet und weckt die in der animierenden Montage geordneten Schmutzschemen zu cartoonhaftem Leben. Zuletzt bringt Heindl seine graue Einzelbildmalerei zur vollen Blüte  – und die Möglichkeit eines Loops, einer Endlosschleife in sein Werk: Ein im Inneren einer leeren Nacht-U-Bahn vollzogener 360-Grad-Schwenk wird zum Echo einer Schweiß-, Wasser- und Fetterzählung, an deren Ende ein Neuanfang steht. (Stefan Grissemann)


Produktionsnotiz:
Egal in welcher Umgebung wir Menschen auftauchen, wir hinterlassen dort Spuren. Ob wir es wollen oder nicht, unsere Anwesenheit schreibt sich unweigerlich in die Räume ein, die wir betreten. Für die Arbeit Surface Séance, habe ich Spuren menschlicher Körper auf den unterschiedlichsten Oberflächen und damit Schmierflecken aller Art zum Thema und zum Material eines Animationsfilms gemacht. Diese Filmtechnik ermöglicht die Illusion, dass die einzelnen, von unzähligen, verschiedenen Personen verursachten Verunreinigungen, zu einem einzigen Körper verwachsen. (Michael Heindl

Orig. Titel
Surface Séance
Jahr
2024
Land
Österreich
Länge
4 min 45 sek
Kategorie
Experimental
Orig. Sprache
Kein Dialog
Credits
Regie
Michael Heindl
Konzept & Realisation
Michael Heindl
Sound Design
Flora Rajakowitsch
Mit Unterstützung von
Wien Kultur MA 7, Bildrecht
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Festivals (Auswahl)
2024
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films
Oberhausen - Int. Kurzfilmtage