CHEZ NICOLE

In CHEZ NICOLE machen wir die flüchtige Bekanntschaft von Nicole, geboren in Frankreich als Lionel. Sie empfängt die Filmemacherin Viki Kühn – und über deren Kamera auch uns – bei sich zu Hause, in ihrer kleinen, einfachen Wohnung und gewährt einen Einblick in ihr Leben. Nicole tanzt in ihrem Schlafzimmer oder in ihrer Küche, verschiedene ihrer Kleider vorführend, die sie zuerst mit Viki Kühn bespricht. Die Filmemacherin stellt ab und zu eine Frage oder kommentiert – aber es ist vor allem Nicole, die spricht, aus dem Off, sich an ihre Kindheit erinnernd, ihre Meinung über Männer mitteilend. Es ist eine Momentaufnahme, bestehend aus Bild- und Tonfragmenten. Das Setting ist geprägt von subtilen Paradoxien oder Widersprüchen. So sind die Zimmer aufgeräumt und doch ist eigentlich zu wenig Platz zum Tanzen. Die Räume sind lichtdurchflutet, aber doch nicht völlig frei von bürgerlichen Versatzstücken. Und wenn Nicole ihr Handy bedient, tickt im Hintergrund laut und demonstrativ eine vermutlich altmodische Küchenuhr, denn die Zeit fliegt und Nicole ist schon über siebzig.
Der Film endet mit einer Szene, in der Nicole sich schminkt. Sie arrangiert die Tiegel mit Kosmetika vor sich auf dem Tisch und macht sich dann an die Arbeit, voller Konzentration, Hingabe und Genuss. Sie schmiert sich die Hände ein – sie reibt sich die Hände. Da wird deutlich: Als aus Lionel Nicole wurde, hat jemand sich befreit, von seiner Geschichte, von Missbrauch, von allen möglichen Zwängen. Und jetzt tanzt Nicole auf ihrem Bett – sich so in der Enge dieser Welt quasi Raum schaffend – zu Milow’s Interpretation von „Ayo Technology“: „I have no trouble with you fucking me, but I have a little problem with you not fucking me.” Dazu macht sie ein ernsthaftes Gesicht. Nicole ist endlich ein Mensch geworden und will jetzt vor allem seriös genommen werden.

(Sylvia Szely)


Die junge Künstlerin Viki Kühn möchte mit ihren Filmen vor allem eines: berühren. Das gelang ihr mit FRIEDL, und es gelingt ihr auch mit diesem schön gestalteten Porträt der als Lionel geborenen Französin Nicole, Vater von vier Töchtern. Sie hat viel erlebt und noch mehr durchgemacht, nach dem Wechsel ihres Geschlechts mit fast 70 Jahren wurde sie Tänzerin, Kunsthandwerkerin und Fotomodell. Kühn kommt ihrer Protagonistin respektvoll nahe (etwa bei der Kleider-Anprobe oder vor dem Schminkspiegel) und zeigt sie beim Tänzeln in der eigenen Wohnung, während Nicole auf der Tonspur offen aus ihrem Leben erzählt.

(Viennale Katalog, 2012)

Orig. Titel
CHEZ NICOLE
Jahr
2012
Land
Österreich
Länge
22 min
Regie
Viki Kühn
Kategorie
Dokumentarfilm
Orig. Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch
Downloads
CHEZ NICOLE (Bild)
CHEZ NICOLE (Bild)
CHEZ NICOLE (Bild)
Credits
Regie
Viki Kühn
Konzept & Realisation
Viki Kühn
Verfügbare Formate
HDCAM (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
24 fps
Farbformat
Farbe