Perfect Garden

Perfect Garden

Gleich nach der berichteten Vertreibung aus dem Test-Garten, den die Firma “E.D.E.N.” (Emergent Design of Evolving Nature) für diesen Prototyp eingerichtet hat, fanden sich diese zwar sehr gut aussehenden, jedoch auch reichlich idiotischen, zudem nur sehr leicht bekleideten Pubertierenden des Seins einer sehr rauen Umgebung ausgesetzt.
Dort trachteten viele verschiedene Bestien danach, sie zu fressen. Wenn schon nicht im Fleisch so doch zumindest in Form der Ausbeutung ihrer körperlichen und sexuellen Eigenschaften.
Daher ergibt sich entlang des gleitenden Signifikanten P, der in jenem Englisch, das eine hochmotivierte Sex- und Tanzarbeiterin aus Polen sich einzulernen sucht, diese logische oder evolutionäre Kette: Penis, Pussy, Paradise, Punishment, Prostitution, Production.
Well put, sister!

Und dann ist es doch plötzlich wieder wie bei David Lynch zuhause, vor dem ewigen roten Vorhang, der das bekannte Nichts verbirgt. Dorthin gelangt man durch einen engen, dunkelroten Korridor wie auf einem wirklich schlechten Trip. In dieser innersten Herzkammer der enttäuschten Sehnsüchte, die doch nicht sterben wollen zu dieser stehenden frühmorgendlichen Stunde, da, wo es immer 4 Uhr früh bleibt und alle Gläser, kaum geleert, sich doch wieder füllen, unter den gleichmütigen Blicken eines schweigsamen Fauns, da also sitzt der empfindsame russische Mafioso und lauscht einem Lied, das erschreckend nach Säugling klingt. Es fließen kindische, giftig sentimentale Tränen. Wird hier denn niemand je erwachsen? Nein, sicher nicht. Denn hier steht die Zeit still, und Alter frisst Jugend, und Jugend schreit immerzu gierig nach – Speck!

(Katherina Zakravsky/ZAK RA)


In einem okkupierten Etablissement – einer Art selbstdefinierten Subkosmos der Realität – vollzieht sich eine körperbetonte Suche nach Lust und Erfüllung. Frauen und Männer tanzen, begehren und interagieren, ihr perfekt choreografiertes Körperspiel wird zur symbiotischen Verlängerung eines exzessiv hedonistischen Unterbewusstseins. Dazwischen: Ein Mafiaboss, der das Lokal zu übernehmen trachtet und den Sinn des Lebens findet. Ein traumhaft-hypnotischer Spielfilm. Utopisch realistisch.

(Diagonale Katalog)

Weitere Texte

Eine Droge auf die man sich einlassen muss (Kritik)

Eine Filmkritik von Veronika Beringer in: "Passagen" zu Perfect Garden, Regie: Mara Mattuschka und Chris Haring, AT 2013.


"Ein Film wie eine Droge, auf die man sich einlassen muss. Wenn man dies nicht tut, könnte man in einen Horrortrip geraten." Mit diesen einleitenden Worten von Mara Mattuschka beginnt die zweite Vorführung von Perfect Garden im Rahmen der Diagonale 2013 in Graz.

Mit Perfect Garden hat Mara Mattuschka in Zusammenarbeit mit Chris Haring und Liquid Loft ein überaus sinnliches und hypnotisierendes Filmerlebnis kreiert. Denn durch die Verschmelzung von dynamischem Ausdruckstanz, tiefgründigen Sprachassoziationsketten und einer Mafia-Zuhälter-Geschichte wird der Zuschauer regelrecht in die Welt eines äußerst ungewöhnlichen Bordells entführt.

"Skin on grass. The blades tickle. And torment is distracting me from surrendering completely. The sweet smell of honey suckle is drawing me closer to the drifting blue sky. […]" Dieses Gedicht erzählt der am Tresen sitzende Besucher eines Bordells mit britischem Akzent der hinter der Bar stehenden Frau. Daraufhin beginnt diese lauthals zu lachen und kann sich vor lauter Lachen kaum noch gerade halten. Die Kluft zwischen Kitsch und Komik, Schmerz und Ernst sowie Natur und Zivilisation kommt in Perfect Garden in einer perfekt choreographierten Sprach-Tanz-Rhythmik zum Tragen. Selbst die anfangs irrtierende, kitschig und billig wirkende rotleuchtende sowie kursiv-gesetzte Premiere-Glow-Schrift, die den Filmtitel sowie die FilmemacherInnen ankündigt, passt schmerzhafterweise zur Gesamtoptik des Films.

Vier Frauen und ein Mann leben in einem Puff, das sich in einer verlassenen und trostlosen Gegend an der Donau befindet und die blass-rosarote Aufschrift "Perfect Garden" trägt. In diesem Etablissement arbeiten die Bewohner sowie die sporadischen Gäste nach dem Lustprinzip. Sie begegnen sich auf einer sinnlichen Ebene und kommunizieren vorwiegend mit ihren Körpern. Durch Wiederholungen und sprachlichen Impulsketten entwickelt sich ein ästhetischer Tanz- und Sprach-Rhythmus, der Perfect Garden eine faszinierende Eigendynamik verleiht. Diese Rhythmik erhält durch den Gangster-Gitarren-Blues-Soundtrack, der an einen Tarantino Film erinnert, eine düstere und trübe Note. Auch die sprachliche Vielfalt – von British English, American English und Russischem Akzent zu Schweizerdeutsch – verdeutlicht die Wichtigkeit der Sprache, ihres Ausdrucks und ihrer Verbalisierung in Perfect Garden.

Von Geldgier getrieben verschlägt es einen russischen Mafiaboss und seine Handlanger in jene Kneipe. Als ob sie von einem Tunnel in eine andere Welt aufgesogen würden, kämpfen sich die Mafiosi durch den Gang des Bordells, der die unsichtbaren Wünsche und Gelüste seiner Eindringlinge zu flüstern scheint und so wirkt, als unterläge er nicht den gewöhnlichen Naturgesetzen. Alkoholisiert, neugierig und von Trieben gesteuert, versucht der Mafiaboss mit den vier Frauen einen Deal auszuhandeln, es wird ihm allerdings mit einer Anti-Show entgegnet. Dieser Moment, in dem die Frau die Bühne des Bordells betritt, das Mikrofon in die Hand nimmt und anstelle zu singen wie ein kleines Baby ihren tiefsten Kummer und Schmerz aus der Seele schreit, lässt einen kalten Schauer über den Rücken laufen.

Parallel dazu irrt eine verwilderte Frau durch die umliegenden Büsche und beobachtet die Bewohner und Gäste des Bordells. Diese in Fell gekleidete Frau erzählt in Hochgeschwindigkeit ihre Gedanken über die Natur als Maschine und der Perfektion dieser Maschine. "I´m part of this machine. I´m part of nature machine […] I become part of this machine. […] They try to have this huge power between their legs. But I have my own power between my legs, because I´m part of nature. […] I´m part of this beautiful machine, that works. […]"

Mara Mattuschka hat für den Film Perfect Garden der gleichnamigen Performance-Reihe von Chris Haring und Michel Blazy, die unter anderem im Tanzquartier und Odeon Theater in Wien aufgeführt wurde, ein Narrativ hinzugefügt. Mara Mattuschka zufolge wurde in etwa ein Drittel des Films aus dem Tanzstück übernommen, ein weiteres Drittel wurde für den Film in Zusammenarbeit mit der Tanzgruppe Liquid Loft und Chris Haring neu erarbeitet sowie teilweise von den Tänzer improvisiert,das letzte Drittel setzt sich aus Mattuschkas Erzählung zusammen. Dieses Narrativ ist relativ trivial und naiv – wie auch Mattuschka selbst betont – jedoch ergibt sich durch die Verbindung der ostentativen und rhythmischen Elemente eine gelungene und innovative Gesamtkomposition. Wenn man allerdings das Glück hatte, die Tanzperformance Perfect Garden gesehen zu haben, wird einem klar, dass die Höhepunkte des Films eindeutig dem Tanzstück entnommen wurden.
Orig. Titel
Perfect Garden
Jahr
2013
Land
Österreich
Länge
80 min
Kategorie
Performance
Orig. Sprache
Verschiedene
Downloads
Credits
Regie
Mara Mattuschka, Chris Haring
Drehbuch
Chris Haring, Mara Mattuschka
Kamera
Josef Nermuth
Schnitt
Mara Mattuschka
Sound Design
Andreas Berger
Darsteller*in
Thales Weilinger, Stephanie Cumming, Anna Maria Nowak, Luke Baio, Rachel Odena, Alexander E. Fennon, Simone Truong, Ian Garside
Produktion
Chris Haring, Mara Mattuschka Minus Film - , Christoph Parzer, David Zuderstorfer und Christoph Parzer NKED –
Mit Unterstützung von
Innovative Film Austria, bm:ukk, Wien Kultur
Verfügbare Formate
Blu-ray (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
DCP 2K flat
Bildformat
1:1,78
Digital File (prores, h264)
Festivals (Auswahl)
2013
Graz - Diagonale, Festival des Österreichischen Films
2014
Rotterdam - Int. Filmfestival
Dortmund / Köln - Internationales Frauenfilmfestival
Wroclaw - New Horizons Festival
Edinburgh - International Film Festival
Paris - L'Etrange Festival