Trading Stories. A Cargo Named Desire.

Dieser Film erzählt keine Liebesgeschichte, sondern eine, oder mehrere Geschichten über das Geschichten erzählen und über die Liebe. Durch einen chirurgischen Eingriff wird hier die Liebe von der Geschichte getrennt, die, wie man erfährt, kein Ende hat, denn es gibt Anfänge und Enden nur in Geschichten im Plural, aber nicht in der Geschichte im Singular. Diese Endlosigkeit der Geschichte ist es, die zuerst Georg Friedrich Wilhelm Hegel und später René Pollesch "die schlechte Unendlichkeit" genannt haben, die (beispielsweise) von der Kunst begrenzt werden muss. In diesem Fall ist die Kunst ein Film, er trägt den Titel Trading Stories und ist von Jennifer Mattes.

Vor langer Zeit hat jemand, der Urgroßvater der Regisseurin, mal eine weite Reise gemacht, von der einige Aufzeichnungen überlebten, die bemüht waren, das vermeintlich Wesentliche festzuhalten, und genau deswegen das Interesse der Leserin nicht zu fesseln vermochten. Die Leserin und Urenkelin reist im Jahr 2013 an Bord eines Cargoschiffs auf den Spuren dieses Urgroßvaters und bemüht sich vor allem, das Unwesentliche zu sehen, während sie unter anderem über die romantische Liebe nachdenkt, die angeblich im 12. Jahrhundert in der Provence erfunden wurde. Der Weg führt über Hamburg, Antwerpen, den Suezkanal, Sri Lanka und Singapur bis nach Qingdao in China. Von all dem sieht man wenig. Vor allem sieht man ein Cargoschiff, das trägt die Last der Geschichte, oder auch der Liebe, das ist seine Fracht. Romantisch ist dieser Film aber nicht. Denn Romantik, so Mattes, entsteht aus einem Defizit an Wissen. Es ist nicht zuletzt dieses Wissen, von dessen Entstehung Trading Stories handelt. "Wer romantisch bleibt, obwohl er dazulernt, der wird ein Ungeheuer. Wer nicht dazulernt, aus dem wird ein Narr." Und die Arbeit an der Geschichte und an der Liebe ist auch die Arbeit am Scheitern dieser Narren und Ungeheuer. Dies führt Trading Stories auf komische, wunderbare, melancholische und so intelligente Weise vor, dass man sich zwar wünscht, die romantische Liebe solle ein für alle Mal, der Film aber keinesfalls enden. (Constanze Ruhm)

Orig. Titel
Trading Stories. A Cargo Named Desire.
Jahr
2015
Land
Österreich
Länge
42 min
Kategorie
Essay
Orig. Sprache
Deutsch, Englisch
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Credits
Regie
Jennifer Mattes
Drehbuch
Jennifer Mattes
Kamera
Konstantin Haas, Jennifer Mattes
Schnitt
Jennifer Mattes
Grafik
Unipocorn/5Reasons
Produktion
Ana Kovacko
Mit Unterstützung von
NSB Niederelbe Schiffahrtsgesellschaft, Akademie der Bildenden Künste Wien, Xiaochu Zhu
Verfügbare Formate
DCP 2K flat
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Farbformat
Farbe
Digital File (prores, h264)