Newspapers Only
Nur eine Minute bleibt Ulrike Müller und Carola Dertnig, um das tagtägliche Ritual des Zeitungslesen einmal unter etwas anderen Vorzeichen zu betrachten. Denn die medienkritische Perspektive spielt dabei, als eine notwendige Voraussetzung gedacht, nur eine nachgeordnete Rolle. Im Mittelpunkt steht die mit dem
Nachrichtenkonsum potentiell einhergehende emotionale Überdosis, die hier als ein intersubjektives Phänomen reflektiert werden soll. Eine Minute lang fixiert die Kamera dann auch die unzähligen Menschen, die in einer Millionenmetropole aus den voll besetzten U-Bahn-Wagons strömen und zu ihrer Arbeit eilen. Freilich nicht ohne die Schlagzeilen des Tages - während der Fahrt effizient konsumiert - wieder in dem dafür vorgesehenen "Newspaper Only"-Container verschwinden zu lassen. Eine Voice Over kommentiert das Treiben ebenso eindringlich wie flüchtig. Eindringlich, weil die mit dem Akt des Zeitungslesen einhergehenden Bewusstseinsinhalte minutiös wiedergegeben werden: "(…) und ich beginne zu lesen.
Ich sehe den Text an, schwarz auf weiss, denn ich will es wissen (…) Und ich sage mir, nimm es nicht persönlich, das ist da draußen und du bist hier drinnen. (…) und ist es nicht ein friedlicher Morgen, aber er ist keiner (…). Und ich beginne oben und lese bis unten, die Schlagzeilen zuerst. Ich sage mir, nimm es nicht persönlich, es ist nur die Welt da draußen, aber irgendwie tue ich es trotzdem…". Die repetitive Struktur des assoziativen Gedankenstroms korrespondiert mit dem allmorgendlichen Blick auf den Zustand der Welt, der jeden Tag ein emotionales Dilemma evoziert, das auch hier unaufgelöst bleibt. Aber die vertraute Situation ist flüchtig und die Nachrichten bleiben schließlich auch bis zum nächsten Morgen in der Untergrund-Bahn zurück.
(Christa Benzer)
Newspapers Only
2003
Österreich, USA
1 min