Things. Places. Years.
Erfahrungen von Vertreibung, Emigration und Holocaust werden oft in der Vergangenheit verortet. Der Dokumentarfilm Things. Places. Years. bringt diese Vergangenheit in die Gegenwart. Sie ist Teil unserer Identität als Angehörige der Vertriebenen und Deportierten, als Söhne und Töchter der TäterInnen und MitläuferInnen.
Things. Places. Years. zeigt wie Vertreibung, Emigration und
Holocaust das Leben von zwölf in London beheimateten Frauen durch drei Generationen prägt. Der Film fokussiert zudem die Arbeit der Frauen, die fast alle im Kulturbereich tätig sind. Viele von ihnen haben einen jüdischen Hintergrund. Ihre Gemeinsamkeit ist schwer zu definieren: Ist es das Jüdisch-Sein oder ihr Interesse an Kunst und Kultur, oder ist es ihre Auseinandersetzung mit der Vergangenheit?
Der Film konstruiert keine homogene, weibliche Identität, sondern umgeht das Dilemma der Zu- und Festschreibungen. Er gibt den Frauen Raum, um über ihre Identität zu sprechen, die komplexer ist als die Feststellung, dass sie Jüdinnen sind. Eine Feststellung, die im Nationalsozialismus zu Vertreibung und Ermordung führte. Eine Feststellung, die Menschen mit jüdischem Hintergrund zu Juden und Jüdinnen macht. Wie sie sich selbst sehen, hat sie bis zu diesem Film kaum jemand gefragt.
Things. Places. Years. bringt die Analysen, Berichte und Erfahrungen der Frauen, aber auch die ruhigen Momente, die Stille, die Nachdenklichkeit vor die Kamera. In vertrauten Umgebungen wie dem Zuhause oder dem Arbeitsplatz sprechen die Frauen über ihre Beziehungen zu Orten, zu
Dingen und über ihr Jüdisch-Sein. Der Film ermöglicht auch eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus, für die wir uns Zeit nehmen sollten. Denn die Vergangenheit kehrt in der Gegenwart wieder.
(Rosa Reitsamer)
"Die Interviews werden thematisch (und nicht biografisch) strukturiert. Das ist schon ein Hinweis darauf, dass die Erfahrungen Einzelner hier als paradigmatisch verstanden und vermittelt werden. Darüber hinaus werden die Frauen nicht auf jene Erfahrungen reduziert, die an ihre Herkunft gekoppelt sind, sondern kommen auch in ihren beruflichen Funktionen als Wissenschafterinnen, Kuratorinnen oder Autorinnen zu Wort. ´Things. Places. Years.´ ist geprägt von einer Atmosphäre ruhiger Distanz und Präzision. Hier wird dezidiert keine Gefühlspolitik betrieben, sondern vielmehr nüchtern und respektvoll betrachtet und aufgezeichnet. Gerade im ´Gedankenjahr 2005´ ein beispielhafter Zugang zum Umgang mit jenem Teil der Geschichte, den manche nur zu gerne als abgeschlossen betrachten würden."
(Isabella Reicher)
Things. Places. Years.
2004
Österreich, Großbritannien
70 min