Phantom Fremdes Wien
Ein taiwanesisches Tanzfest, ein nigerianischer Erntedank, eine türkische Hochzeit, der Staatsfeiertag der Elfenbeinküste, ein thailändisches Neujahr, ein Treffen der Roma, ein Saufgelage unter Tschechen: Nahezu jedes Land, jede Kultur, jede Ethnie ist in einer mitteleuropäischen Großstadt wie Wien vertreten, verfügt über Formen und Konventionen der Zusammenkunft und der Bewahrung von Identität. Die Menschen treffen einander in Kongresshallen und Hinterzimmern, in Restaurants und Gotteshäusern. Lisl Ponger hat in den Jahren 1991-92 eine systematische Suche nach dem "Fremden Wien" unternommen. Über ihre Begegnungen hat sie ein Tagebuch geführt. Elf Jahre später schneidet sie aus ihrem Material einen Film, in dem die Ergebnisse ihrer teilnehmenden Beobachtung (meistens mit einer Super-8-Kamera, manchmal nur mit einem Tonaufnahmegerät) nach verschiedenen Kategorien geordnet werden: Visuelle wie technische wie "anthropologische" Motive spielen eine Rolle. Aus dem Off spricht die Filmemacherin über ihre Ordnung der kulturellen Dinge, die sich als fundamental "zusammengesetzt" erweist: Ein Mönch schlägt die Trommel, ein Fluß rauscht, das Bild und der Ton entstammen unterschiedlichen Feldern. Phantom Fremdes Wien ist die Dekonstruktion geläufiger "Völkertafeln": Nicht die charak-teristische Geste, das typische Kostüm, das unverwechselbare Musikstück stehen im Zentrum (der Beweis für die Essenz einer Gruppe), sondern die vielfältigen Formen des Übergangs und der Montage. Repräsentation wird zu einem offenen Prozeß, das fremde Wien bleibt – bei aller Nähe – ein Phantom. (Bert Rebhandl)
film online sehen @ MUBI.com