Wien: sieben Szenen

Drei Fotografen stellen eine Filmkamera an verschiedenen Wiener Örtlichkeiten auf und lassen diese sieben Szenen vielleicht zu den sieben Tagen der Schöpfungsgeschichte werden: Orte, an denen viel Zeit ist und die dem Zuschauer Zeit geben - Zeit, Unglaubliches zu denken. In diesen sieben Szenen passiert wenig, aber nicht nichts. Manchmal sehen wir nur ein Auto, das vorbeifährt. Oder ein "in die Landschaft geschissenes" McDrive entfaltet seinen surrealen Humor. Oder man entdeckt Bilder, an denen selbst die Musik auf der Tonspur nichts ändern kann, nichts an der Bedeutung und nichts an der Wahrnehmung dieser Bilder.

(Torsten Alisch)


Der Dokumentarfilm Wien: Sieben Szenen (1998) von Joachim Hildbrand, Michael Gartner und Rainer Frimmel ist ein radikaler Gegenentwurf zu allen gängigen Vorstellungen von Dramaturgie und Rezeption. Die drei Filmemacher stellten ihre Kamera an sieben verschiedenen Orten in Wien auf und guckten was passiert: nämlich nichts. Ein trister Park, eine Häuserzeile mit einer Kneipe, eine Zuschauertribüne auf einen Weihnachtsmarkt. Autolärm ist zu hören, ein Kind geht durchs Bild, eine Gruppe von Arbeitern. Die Ereignislosigkeit wird zum Ereignis. So als sei der konzentrierte dokumentarische Blick inzwischen der einzige Kontrapunkt zur überreizten Wahrnehmung auf allen Ebenen der medialen Wirklichkeit. Eine Zumutung für den Zuschauer und eine großartige Erfahrung zugleich. Der Zuschauer wird auf sich selbst zurückgeworfen und nun seinerseits vom Film in die erzählerische Pflicht genommen. Klammheimlich erinnert dies an die Anfänge des Mediums, an die Filme der Brüder Lumière, aufgenommen mit den Mitteln von heute.

(Mark Stöhr)


WIEN. Trostlose Außenbezirke, Randzonen, Niemandsland. Graue Wintertage. Mit diesen Parametern im Handgepäck und einem klaren dokumentarischen Konzept im Kopf hat sich das Kollektiv von drei jungen Photographen im Winter 1997/98 auf filmische Spurensuche an die Peripherie von Wien begeben. Wie der Titel andeutet, ist der Film in sieben Stadtansichten bzw. starren Einstellungen von leeren Parkplätzen, Gürtelstraßen, Imbissbuden (McDonalds Drive-Ins), Brandtwein-Stuben, leeren Tribünen am Trabrennplatz im Wiener Prater und vom Christkindlmarkt in Floridsdorf gegliedert. Die fixen Kameraeinstellungen zeigen Ausschnitte einer urbanen und mitunter sozio-topographischen Peripherie, Fragmente scheinbar toter Winkel, denen vor allem das kluge Wechselspiel von Kamera- und Mikrophonstandpunkt filmische Lebendigkeit verleiht. „Wien Sieben Szenen ist ein dokumentarischer Winterkatalog, die Kollektion von erlesener Tristesse; ein Verzeichnis ausgewählter Un-Orte und irritierender Alltäglichkeiten, deren Tonfall zum Hinschauen und Mithören animierte, wäre da nicht das sonntägliche Quiz von Ö3, welches in der letzten Szene den Gefrierpunkt österreichischer Wirklichkeit markiert.“

(Johannes Rosenberger)


Der Minimalismus des Films ist nur ein scheinbarer: In Wirklichkeit bereichert das differenzierte Sehen, das einem die Überlänge der Einstellungen erlaubt, das Kinoerlebnis beträchtlich. Hier richtet sich der Blick auf Ereignisse, die im Kino üblicherweise der Rede nicht wert sind. Die Filmemacher finden darin nicht nur subtile Ironie und erstaunliche Korrespondenzen zwischen Bild und (Off-)Ton, sondern vor allem die Chance, anders, komplexer von der österreichischen Wirklichkeit zu erzählen.

(Stefan Grissemann)

Orig. Titel
Wien: sieben Szenen
Jahr
1998
Land
Österreich
Länge
80 min
Kategorie
Avantgarde/Kunst
Orig. Sprache
keine Angaben
Credits
Regie
Joachim Hilbrand, Michael Gartner, Rainer Frimmel
Verfügbare Formate
16 mm (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,37
Bildfrequenz
24 fps
Betacam SP (Distributionskopie)
Bildformat
4:3
Tonformat
Stereo