Der Regisseur
Zwei Schauspieler sitzen in einem Raum, spätabends, der eine erzählt dem anderen von einem chaotisch verlaufenen Filmdreh. Ein dritter telefoniert permanent im Hintergrund. Die Schilderung des einen ist zerfahren und nervös und hat ein Problem (das gleichzeitig den running gag für den Film liefert): Das Wort Regisseur kommt ihm wiederholt nicht über die Lippen. Wir kennen das: Wir wollen etwas erzählen, doch das scheinbar Wichtigste, das hartnäckige Dings (ein Name, eine zentrale Figur, ein Begriff) fällt uns nicht ein und bringt den narrativen Ablauf ins Stottern und uns in peinliche Verlegenheit, nimmt uns die Sprechhemmung, der Hänger, doch unsere auktoriale (und damit mächtige) Sprechposition.
Der Chef fehlt. Der schusselige, dysfunktionale Diskurs des Erzählers leugnet den Regisseur, jene textuelle und reale Disziplinarmacht, bekannt vom Fabrikssystem Hollywoods bis hin zu den Unternehmen des Autorenfilms. Sein frivoles Vergessen des paternalen Souveräns parodiert und verflacht gleichermaßen die Hierarchien von Film- und Sprachproduktion und offenbart über die Symptomatik des Stotterns, der unvollständigen Sätze und fahrigen Bewegungen die hysterisierte Logik affektiver Arbeit im kontrollgesellschaftlichen (Kreativ-)Wirtschaften: Es geht immer um Kopf und Kragen, ums Hinterherhetzen und notorische Wichtigmachen, um zu wenig Zeit und zu knappe Budgets, ums Nicht-Fertigwerden und Durchwursteln in prekären Arbeitsverhältnissen und das daraus resultierende noble Gefühl, man mache etwas Besonderes. Wenn da der Regisseur fehlt oder einem nicht mehr einfällt, zeigt sich diese Welt als Geschussel und Überforderung in Permanenz. Da kann es dann schon vorkommen, dass das ersatzweise verwendete Wort director als Erlösung über die Lippen kommt.
"Der Regisseur" ist übrigens sehr lustig.
(Michael Palm)
Der Regisseur
2006
Österreich, Deutschland
7 min 9 sek