paths of g
Die lange Rückwärtsfahrt im Schützengraben von Kubricks I.-Weltkriegs-Drama "Paths of Glory", der Gang des Generals entlang der aufgereihten Soldaten, seine stets gleichen Fragen, sie werden in Dietmar Offenhubers Studie auf ihre pure Geometrie reduziert: Nicht mehr sieht man, als unterschiedliche Häufungen von Punkten, eine Bodenlinie, auf welcher die "verbrauchte" Menge an Kadern in Einheiten von je 50 aufgezählt wird und die Bewegung der Kamera, zu hören ist jedoch der Originalton. Genug Daten, um die Einstellung zu identifizieren, es fehlt jedoch das wohl Wichtigste der Szene, die Körperlichkeit, die Körper der Dinge und Menschen. Und doch ist diese Reduktion in gewisser Weise näher am ersten industrialisierten Krieg der Geschichte, als die Bilder von Kubricks Vorlage.
Der Schützengraben offenbart in seiner Abstraktion das, woran er notwendig scheitert: Erfahrung. Die industrialisierte Tötungsmaschine dehumanisiert, desubstanzialisiert den Menschen per se. Die Körperlichkeit der Soldaten, sie wird zu Funktionswerten, die Materialität des Grabens, sie wird zu einer Punktematrix, beide werden vermessen von der Mechanik der Kamera, des Einzelbildtransports. Einzig das Reden verbleibt analog, doch ist dieses gleichermaßen stereotyp, es affirmiert bloß die Szenographie.
Virilio, der ja stets auf die "Brüderlichkeit" von modernem Krieg und Kinematographie verwies, würde diesem Verfahren nichts abgewinnen. Denn justament die bewusste innerfilmische Reduktion, die rein maschinellen, geometrischen Werte vermögen erst die wahre Gewalttat dieses Krieges zu denunzieren. Es braucht nicht das fiktionalisierte Faktum, es reicht, bereits existierende Bilder zu entsinnlichen, um zum historisch Faktischen qua Techno-Imagination (Flusser) zurückzuspringen. Man sieht weniger, erfährt jedoch mehr. Die neue Form entschält auch einen für die Rhetorik des Bildes wesentlicheren Inhalt.
(Marc Ries)
Eine Bearbeitung von Stanley Kubricks "Paths of Glory": Eine langgezogene Kamerafahrt durch einen Schützengraben. Von der Originalsequenz bleiben nur die Kameraspur und geometrische Relationen des Sets erhalten und lassen zusammen mit der unveränderten Tonspur das Geschehen erahnen.
(Dietmar Offenhuber)
Dietmar Offenhuber zerlegt in paths of g (2006) einen Auszug aus Stanley Kubricks Spielfilm Paths of Glory (1957) in seine räumlichen und zeitlichen Bestandteile. Unterstützt von einer Software unternimmt er eine dreidimensionale Reise durch die Einzelbilder des Films und visualisiert mit abstrakten Mitteln die Strukturen des "Filmischen".
(fair, In: DER STANDARD, 12. Oktober 2009)