Red Nitro
Als farbigen Tonfilm, der ohne Kamera und Musikinstrumente gemacht wurde, bezeichnet Amos Vogel Loops von Norman McLaren, der 1948 Bilder und Tonpunkte auf einen 35mm-Filmstreifen malt. Auch Red Nitro, von Christoph Weihrich kommt ohne diese technische Ausrüstung aus; in Handarbeit wurden Filmkader rot eingefärbt, mit Hilfe einer Schablone ein weißer Sehschlitz im Breitwandformat ausgespart, Titel und Kader eines gefundenen Super-8-Films in diesen hineingeklebt, schließlich der Ton analog zu den Filmresten in die Tonspur gestanzt.
All das folgt einem bestimmten Rhythmus, einer Partitur, nach der die Filmreste einzeln oder nebeneinander aufblitzen, begleitet von einem kurzen Knattern. Bevor man jedoch eine mögliche Struktur erahnen kann, ist der Film schon wieder vorbei. Ebenso wenig lässt sich das Dargestellte genau erkennen: ein Männergesicht (vielleicht), dann das einer Frau, eine weitere Szene, Zahlenkolonnen und The End.
Beinahe 60 Jahre nach Loops entstanden, schreibt sich Red Nitro in die Geschichte des Avantgardefilms ein, mit dem Wissen, dass es in 110 Jahren Kinogeschichte Nichts noch nicht gegeben hat (Weihrich). In seinem kurzen Aufflackern wirkt er wie ein Widergänger von etwas, das längst sein subversives Potential verloren hat.
Gleichzeitig gibt Red Nitro seinen eigenen Kommentar dazu ab: das Ausschnitthafte übersetzt sich in die Form der doppelten Rahmung, die es erlaubt, verschiedene filmische Realitäten zusammenzusetzen. So verknüpft sich der (narrative) Spielfilm, verdichtet auf einige Schlüsselmomente, mit der selbstreflexiven Materialbesessenheit des Experimentalfilms zu einer visuellen Überraschung, die gleichsam humorvoll wie nachhaltig zum Nachdenken über die Aktualität des Avantgardebegriffs anregt.
(Claudia Slanar)
Red Nitro
2006
Österreich
1 min