Bilder aus dem Tagebuch eines Wartenden
"Es ist unheimlich da... durch die Kamera sieht es sehr unheimlich aus." - "Du musst sagen, das ist 'Burgenland Project'". Tatsächlich aber suchen die verrauschten grünstichigen Nightvision-Bilder, die von Rekruten während ihres Einsatzes an der österreichisch-ungarischen Grenze hergestellt werden, nicht nach einer obskuren Waldhexe, und der Infrarot-Blick ergreift auch nicht "Illegale Grenzgänger". Die Soldaten drehen im ewigen Eis des burgenländischen Winters, mit Videokamera und Handy, filmen sich beim Fadwerden und Kindischsein (Vergletscherung kann auch lustig sein), spielen alle Stunts selbst und sprechen kursorisch über ihre Situation und die Zukunftserwartungen nach dem Einsatz. Judith Zdesar hat die Aufnahmen angezettelt und arrangiert und mit einzelnen topografischen Tableaus durchsetzt.
Gesucht wird die verlorene, oder besser: totgeschlagene Zeit während des Präsenzdiensts in der Randzone von Schengenland, die sich in absurden Mikro-Performances der jungen Selbstdarsteller verkörpert und in banal-alltäglichen Monologen über den (Un-)Sinn ihrer Präsenz zu fast Beckettscher Größe aufbläht. Die Lage: keiner weiß, wie's weiter geht. Beunruhigend: allein das Aufgreifen von Migranten würde als sinnvolle Handlungsoption erscheinen, doch für derlei Action sind die Soldaten zu weit von der Grenze entfernt - ein Kriegsfilm ohne Krieg. Bleibt das Einkreisen der eigenen Affektsituation. Wenn Da-Sein zum Dienst geworden ist, doch der Dienstgeber seine sinnstiftende Autorität verloren hat, wird der Grenzeinsatz am Außenposten zum Grenzfall filmischer/sprachlicher Repräsentation. Die Bilder aus dem Tagebuch eines Wartenden wirken fremd und sind uns doch näher als uns lieb ist, lo-fi Science Fiction ohne Zukunft, die Soldaten selbst sind die Aliens und der Feind sieht aus wie dein bester Freund. Echt unheimlich. Michael Palm
Bilder aus dem Tagebuch eines Wartenden
2007
Österreich
23 min