NightStill
Von brüchigen Sounds begleitet ziehen eilige Wolkenschwärme über die Kuppen des Dachsteingebirges. Hinter Fenstern einsamer Bergstationen blinken Lichter wie Morsezeichen. Gondeln zischen als fremde Flugobjekte vorüber. Dicke Nebeldecken packen Felsen ein. Ein Windrad dreht durch. Hie und da erscheinen Menschen Phantomen gleich im Schneeweiß. Der Mond steigt, glüht, stürzt, verschwindet und geht doch immer wieder auf.
Nightstill von Elke Groen ist eine knapp neunminütige filmische Vermessung der Dachsteinregion in den österreichischen Alpen. Allerdings hat diese nicht den Charakter einer dokumentarischen Aufzeichnung. Sie funktioniert vielmehr als Konfrontation des Gegebenen (eine Landschaft, Artefakte, Lebewesen; der Himmel, Wetterphänomene oder das Licht) mit einer Aufzeichnungstechnik, der schon immer das Vermögen der Verfremdung innewohnt.
Mit Ausnahme einer Webcamsequenz sind die Spezialeffekte mit der Kamera gemacht, einer "alten Bolex mit Federzug". Im Lauf von zwei Wintern, immer in den Nächten rund um Vollmond hat sich die Filmemacherin damit in der Dachsteinregion postiert und bewegt. Jeder Kader wurde eine halbe Minute belichtet, das macht pro Filmsekunde zwölf Minuten und pro Filmminute zwölf Stunden Realzeit, die hier aufgehoben sind.
In dieser diskreten Verdichtung wirkt das Gesteinsmassiv doppelt statisch, Lichtspiel und Bewegungen gewinnen dafür an Dynamik und an Flüchtigkeit. Die Nacht wird zum Tage und der Mond macht über tief verschneiten Hängen Wintersonne. Aus dem Azurblau regnen zarte Sternenschauer. Der Mensch steht mittendrin und schüttelt freudig staunend seinen Kopf.
(Isabella Reicher)
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