Angelica Fuentes, The Schindler House

Wie kaum ein anderes Bauwerk der frühen Moderne in Kalifornien verkörpert das Schindler House in L.A. "die Rolle der Architektur als eine kritische Kunstform entweder ein Kommentar darüber zu sein, wie wir leben, oder ein Modell dafür, wie wir es könnten" (1)
Seine Besonderheit liegt nicht nur darin, eine experimentelle Lebensweise, die die Grenzen herkömmlicher (sozialer) Formen überschreiten wollte, in ein architektonisches Programm übersetzt zu haben, sondern ebenso darin "Gebrauchsgegenstand" alltäglicher ästhetischer Lebenspraxis gewesen zu sein. Mittlerweile, gut 85 Jahre nach seiner Errichtung, kehrt das Schindler House als historisches Dokument in doppelter Weise wieder: als ehemaliges Wohnhaus zu einem "Museumshaus" restauriert, figuriert es zugleich als dessen Ausstellungsobjekt.

Platziert in eine Sphäre von Autonomie und Selbstreferenz spannt es den Rahmen für ein Bild einer Architektur, die Kunst und Leben zusammenführen vermochte. In dieser ewigen Szene spielt das Schindler House eine führende Rolle: Untote heroische "Figur" der Moderne, die an ihrem konservierten Schauplatz, Ort ihrer heutigen Alltäglichkeit, geistert. Das Video Angelica Fuentes, The Schindler House parallelisiert zwei Erzählungen. Die persönliche, private Geschichte einer Frau, Angelica Fuentes, wird als voice-over-Sprechakt zu einer Sequenz von Bildern, eine visuelle Erzählung über das nunmehr museale Objekt "Schindler House" gestellt: Während Angelica Fuentes´ Rede Stationen ihres Lebens wiedergibt, zeigen Ansichten das Schindler House von außen sowie dessen Leere: akzentuiert möblierte Innenräume. Blicke gleiten durch Räume, an architektonischen Details, am ausgestellten architektonischen Material vorüber, verlaufen sich in der Vegetation des Gartens, drehen und wenden sich, stoppen und kehren in die Räume des Hauses zurück.

So entsteht eine visuell-akkustische Serie, die die Distanz gebietende institutionelle Präsentation des Gebäudes mit narrativen Fragmenten aus Angelica Fuentes´ Lebensgeschichte verstrickt. Entlang dieser bruchstückhaften Geschichte gewährt die Bewegung eines tastenden, unsouveränen Kameraauges weniger die Analyse eines Objektes als es den Betrachtungsgegenstand in eine inkohärente Landschaft partialer und differierender Bilder zerfallen lässt. Wie auch Rede und Bild dazu neigen im Auseinanderfallen in Bezug zueinander zu treten: Wenn sich auch mit fortschreitender Narration Angelica Fuentes´ biographische Beziehung zum Bauwerk erschließt, und sich die Geschichte des Schindler House als wieder (und wieder) erzählte in ihre Biographie als quasi-erlebte und durch ihre Erzählung belebte einfügt, so ist es doch dieser Schnitt der Institutionalisierung des Schindler House zwischen dem Alltag des Lebens und dem des musealisierten Gebäudes, der im Video Angelica Fuentes, The Schindler House in Form einer Ton/Bild Montage wiederkehrt und beide als Erzählungen inkongruent aufeinander projiziert: Diese Dynamik von Rede und Bild zeichnet eine Differenz nach, und öffnet eine Leerstelle; in der möglicherweise der Nicht-Ort der Repräsentation von Alltäglichkeit zu erblicken ist, und in der sich Architektur als gesellschaftliches Objekt konturiert und Leben entwickelt.
(Johannes Porsch)

1 The new neighbor is a bit confused, Christopher Hawthorne, LAT September 05, 2007.

Das Schindler-Haus in West Hollywood, jenes Wohnhaus, das sich der österreichische Architekt Rudolph M. Schindler nach seiner Emigration in die USA in den 1920er Jahren errichtet hatte, dient diesem Essayfilm als Grundlage für die Erzählung einer weiteren Emigrantengeschichte - die Geschichte einer mexikanischen Familie, die das Gästehaus jahrelang bewohnte und die Architekturikone ihr Zuhause nannte. Mein Film ist ein mehrfaches Porträt: eine Hommage an Schindler und sein auf Kalifornien zugeschnittenes Wohnexperiment und die Geschichte einer mexikanischen Einwandererfamilie. Der Architektur als sozialem Objekt nähere ich mich über die Lebensgeschichte einer Familie, die wiederum als Geschichte eines ganzes Landes gelesen werden kann.
(Sasha Pirker)

Orig. Titel
Angelica Fuentes, The Schindler House
Jahr
2008
Land
Österreich
Länge
10 min 16 sek
Regie
Sasha Pirker
Kategorie
Dokumentarfilm
Orig. Sprache
Englisch
Credits
Regie
Sasha Pirker
Konzept & Realisation
Sasha Pirker
Erzähler*in
Angelica Fuentes
Verfügbare Formate
Festivals (Auswahl)
2008
Viennale - Vienna Int. Film Festival
2009
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films
Wien - VIS Vienna Independent Shorts