Oceanul Mare
"Im Ozean ist es so: Große Fische essen kleine Fische.
Der Geschäftsozean bedeutet, dass es sehr hart und schwer ist. Wenn du nicht aufpasst, wirst du gefressen und ertrinkst im Ozean! Wenn du Erfolg hast, bist du ein Segel, das wie ein triumphierendes Segelboot über den Ozean segelt!"
Im Zentrum stehen drei in den frühen neunziger Jahren eingewanderte Chinesen in Bukarest. Der Film folgt ihren Spuren durch die rumänische Metropole und ihren unterschiedlichen Verbindungen zum größten China-Markt Europas an der Bukarester Peripherie. Epsiodenhaft begleitet er die Protagonisten in ihr von starken Kontrasten geprägtes alltägliches und geschäftliches Umfeld und erzählt dabei vom Fremd-Sein, von kulturellen Verschiebungen und der Herausforderung, in Unbekanntes einzutauchen und sich dabei selbst immer wieder neu zu erfinden.
(Produktionsnotiz)
Katharina Copony schildert in ihrem Film Oceanul Mare (Großer Ozean) das Leben von drei Chinesen, die Anfang der neunziger Jahre in Bukarest eingewandert sind. Die Kamera folgt in ruhigen, konzentrierten Einstellungen den beruflichen und privaten Aktivitäten der drei Hauptfiguren. Diese gehen ebenso aufmerksam und besonnen ihren alltäglichen Verrichtungen nach, sei es beim Inspizieren der Räumlichkeiten für ein neues Büro, dem Layouten und Drucken einer chinesischen Zeitung oder dem Begutachten der Waren und Verkaufsstände auf dem größten chinesischen Markt Europas. Präzise wird die urbane und soziale Realität der Asiaten in einem Land eingefangen, das für sich genommen bereits von verschiedenen kulturellen Einflüssen an der Schnittstelle von Okzident und Orient geprägt ist. Kulturelle Disparatheit wird besonders greifbar in der Privatsphäre der Portraitierten. Ein chinesisches Neujahrs-Essen findet in einer Wohnung statt, deren Wände über und über mit Kruzifixen bestückt sind.
Ferner bekommt man Einblick in ein Casino, dessen blinkende Apparate in luxuriösen Bauten des 19. Jahrhundert installiert sind, eine Science-Fiction-artige Atmosphäre als Resultat von Zeit- und Kultursprüngen. Das trotz aller kurios erscheinenden Hybridität selbstverständlich und intakt wirkende soziale Leben ist kein Paradies. Ganz ohne dramatische Inszenierungen erfährt der Zuschauer - zumeist durch eine Off-Stimme - von der Kehrseite des erfolgversprechenden Lebens: Macht- und Revier-Kämpfe haben Brandstiftung und Mord zur Folge.
In Oceanul Mare erscheint das Meer als eine Metapher. Unvermittelt öffnet sich der Blick auf eine graue, endlose Weite. Zum Rauschen der Wellen erzählt eine Stimme vom Risiko, bzw. der existenziellen Verlorenheit, die das Leben und Überleben in der Fremde mit sich bringen kann. In einer anderen Einstellung blickt die Kamera durch ein Fenster, vor dem ein Aquarium steht. Dies bemerkt man jedoch erst, als sich plötzlich ein Fisch auf der Bildfläche zeigt, der schwimmend "auf dem Weg nach oben" ist, während man durch die Scheibe hindurch auf einen trostlosen Wohnblock schaut.
Katharina Copony ist eine behutsame Beobachterin, die durch ihren unaufdringlichen Blick exponierte Reaktionen ihrer Protagonisten vermeidet und die Subjekte ihrer filmischen Betrachtung abseits der Klischees des Lebens in der Fremde agieren lässt. Der protokollierende, selbstverständliche Ansatz der Autorin zeigt das Leben der Portraitierten in seiner ganzen Differenziertheit.
(Thomas Groetz)
Link zur Produzenten-Homepage des Films
Duisburg 2009 - 3SAT-Dokumentarfilmpreis, Jurybegründung (Preis (Auszeichnung))
Anhand des Lebenswegs dreier chinesischer Immigranten in Bukarest lotet Oceanul Mare auf vielschichtige Weise Formen des Fremd-Seins aus. Hier, rund um einen Markt als Umschlagplatz von Waren, kultureller Identität und Träumen, begleitet der Film eine Frau und zwei Männer auf der Suche nach Selbstvergewisserung. Souverän, mit präzisem Blick führt Katharina Copony die bestimmenden Themen des Films zusammen: Sprache als Grenze und Verständigungsmittel, ethnografische und soziale Bedingung und Entwicklung durch Bewegung. Bei Oceanul Mare korrespondieren in bestechender Weise formale Strategien und thematischer Zugang. Eine herausragende Gegenwartsreflexion, die gleichwohl Zukunftsperspektiven öffnet.
7. November 2009, die Jury: Till Brockmann, Heike Hupertz, Michael Pekler
Oceanul Mare (Le grand océan), texte français
Dans une suite de plans concentrés, la caméra retrace les activités des trois protagonistes, quils soient en train dinspecter de nouveaux bureaux, de mettre en page un journal chinois ou de contrôler les denrées et les étalages du plus grand marché chinois dEurope. La réalité urbaine et sociale des Asiatiques est ici minutieusement saisie, dans un pays qui, situé au point dintersection de lOccident et de lOrient, est déjà en soi marqué au coin de différentes influences culturelles.
Cette disparité culturelle est entre autres particulièrement tangible lors dun repas de Nouvel An chinois qui se déroule dans un appartement aux murs recouverts dune myriade de crucifix. Ou à travers le regard Žporté sur un casino dans lequel les machines à sous clignotent dans le décor luxueux de bâtiments du dix-neuvième siècle. Une atmosphère qui, digne dun film de science-fiction, résulte de la collision des époques et des cultures.
Évidente et intacte en dépit dune hybridité qui semble insolite, la vie sociale évoquée ici na pourtant rien de paradisiaque. Sans quil soit jamais besoin de recourir à une mise en scène aux effets dramatiques, le spectateur découvre ici la face cachée dune vie riche en promesses : les rivalités de pouvoir et les querelles de territoire entraînent inexorablement incendies et meurtres.
Dans Oceanul Mare, la mer apparaît comme une métaphore. Le regard souvre demblée sur une étendue grisâtre et infinie. Sur le fond sonore du bruissement des vagues, une voix vient nous parler des risques et du sentiment dabandon existentiel qui peuvent résulter de cette vie, de cette survie dans un pays lointain.
Katharina Copony est une observatrice prudente. Elle sait éviter toute réaction qui pourrait mettre ses protagonistes en danger et les laisse sexprimer sans jamais succomber aux stéréotypes habituels. Cest cette approche documentaire, indiscutable, qui permet à la vie de ses personnages dapparaître dans toute sa diversité.
(Thomas Groetz)
Traduction: Claude Manach
Oceanul Mare
2009
Österreich
80 min
Dokumentarfilm
Chinesisch
Englisch, Deutsch