Gutes Ende
Die Königin stirbt. Und stirbt noch nicht. Sie schläft. Aber der Schlaf ist nahe am Tod und ihr Gesicht das Gesicht einer Gestorbenen. La gueule ouverte. In den Zügen (schön einst, immer noch schön) dieser Spurenzug von Grauen, der schlafenden alten Menschen und denen eigen ist, die gezwungen sind, die Nähe ihres Endes zu ertragen. Sie erwacht. Sie kommt von weit her wie eine, die vom Grab aufersteht. Sie erschrickt. Sie weiß eine Sekunde lang nicht mehr, wer und wo sie ist. Dann taucht sie empor ins Erkennen. Sie erkennt die, die an ihr Bett getreten sind und die man im Film (noch) nicht sieht. Sie spricht, sie lächelt. Oder versucht es. Und ist so schwach, dass es ihr kaum gelingt. Wie es ihr kaum noch gelingt, die Szene zu beherrschen, was sie vielleicht will, obgleich sie die Szene beherrscht, doch anders, als sie es will. Sie lässt es, zurückgesunken ins Erstsarren (halb Schlaf, halb Absterbens-Nähe) nur mehr gewähren, dass die Hand mit Pinzette Haare von ihrem Kinn entfernt. Lässt geschehen, dass die Tochter (und jetzt kommt Friedl vom Gröller ins Bild) sich über sie beugt und die volle Wange an ihre eingefallene schmiegt, wobei beide Frauen lächeln, milde, selig und doch nicht ganz, unerfüllt selig für eine kurze lange Sekunde, zuletzt, wobei man ahnt, das ihr Leben mit-und gegeneinander keineswegs immer selig gewesen ist. Dann der Mumienarm der Greisin, dürr und dünn hinaufgereckt zum Bauch der Enkelin, die schwanger ist. Die Enkelin sitzt am Bettrand. Sie erzählt. Ihre Augen bisweilen bedeutungsvoll geweitet, als agiere sie am Theater. Der Film zerflackert in Weiß, weiß wie Leere und Nichts und Ungefähr. Porträt der Mutter als Greisin. Vielmehr Abschieds-Vignette, finale Skizze aus dem Pflegeheim, stumm, spröde, stolpernd, blechgrau, unumwunden-unverblümt-unbeholfen direkt. Und stolz auf das Eigene & Unvollkommene, den Mangel an Architektur & Ästhetik & Perfektion & Glätte. Wie jeder Friedl-vom-Gröller-Film ist Gutes Ende so kurz wie ein Schock oder die Ohrfeige an der Backe eines Ministers. Und schön wie eine in die Jahre gekommene Frau, die verweigert, Schminke aufzutragen, während kantige Kieseln im Bauch einer Wölfin rasseln.
(Harry Tomicek)