In Free Fall

In Free Fall ist eigentlich ein Tryptichon: Vor dem Absturz, Nach dem Absturz und Absturz. Verhandelt wird die derzeitige Wirtschaftskrise am Beispiel eines Flugzeug-Schrottplatzes in der kalifornischen Wüste (Prod. Notiz)


Im Verlauf der Kaskaden von In Free Fall kommt die Filmemacherin selbst ins Bild, beim Ablesen ihres Texts über die Wandlungsfähigkeit technischer Dinge. Da passiert ihr ein Versprecher: Statt "Die Materie lebt weiter" liest sie "Die Materie liebt weiter". Die Montage greift diesen Lapsus Linguae (auch ein free fall) auf, macht ihn zum glitch: Die Reiteration der Fehlleistung, die wie ein HipHop-Sample zelebriert wird, ist so programmatisch wie ihr Inhalt, der polymorphes Leben mit Lieben zusammendenkt – mit Hingabe und unberechenbarer Anziehung.
Im Zeichen von Sergej Tretjakovs Konzept einer "Biografie des Objekts" von anno 1929 verspinnt der Film Technikgeschichte voller Reize und Rekursionen. Mit Howard Hughes´ Hell´s Angels-Luftkriegs-Actionfilm-Stunts im Crash-Jahr 1929 setzen Lebens- und Liebeszyklen von Dingen (von Transportmitteln, die Bilder, also Medien sind) ein: über Hughes´ Airline TWA, die ihre Boeings der israelischen Luftwaffe verkauft, zu deren Einsatz bei der Geiselbefreiung in Entebbe 1976, weiter zu Spielfilmversionen dieser Aktion bis zum Nachleben der Jets als Airforce-Museumskino bzw. Ruinen auf einem kalifornischen Wüstenflugplatz. Dessen Betreiber vermietet seine Jets gern für Filmdrehs, etwa den von Speed.
Steyerls Motiv- und Geschichtszyklen sind so irrwitzig und unentrinnbar wie die des Kapitals als Modell-Fall jener Dinge, die spektakulär leben, zumal von Liebe und Krisen. Vieles, nicht nur das Found Footage und die Crash-Metaphorik, kommt einem hier bekannt vor: aus Filmen von Wyler, Grimonprez und Bitomsky (Flugzeugtrümmerfaszination), von Farocki (der Voice over-Tonfall) oder von Steyerl selbst (Umwälzung/Verdrehung von Politik zum Kinobild). Das muss wohl so sein; im Abspann steht "Recycling" anstatt "Regie". Und mitunter werden die Umwandlungen von Interview in Clownerie, von Bildern zu Labels, planes zu discs, Blasen zu Ballons so dicht, so prall voll mit heißem Sinn, dass einem die Luft wegbleibt. (Drehli Robnik)

Orig. Titel
In Free Fall
Jahr
2010
Land
Deutschland
Länge
32 min
Regie
Hito Steyerl
Kategorie
Essay, Kurzfilm
Orig. Sprache
Englisch, Deutsch
Untertitel
Englisch
Credits
Regie
Hito Steyerl
Drehbuch
Hito Steyerl
Kamera
Kevan Jenson, Christoph Manz
Schnitt
Cristóvão dos Reis
Sound Design
Cristóvão dos Reis
Dramaturgische Beratung
Boris Buden, Imri Kahn
Malerei
Kevan Jenson
Postproduktion
Christoph Manz
Darsteller*in
Mike Potter, Imri Kahn, Hito Steyerl, Kevan Jenson
Choreographie
Arthur Stäldi
im Auftrag von
Chisenhale Gallery, Collective Gallery, Picture This
Assistenz
Yeliz Palak, Ariel Reichmann
Mit Unterstützung von
Visualize This, Inc, Scottish Arts Council, Arts Council England, Henie Onstad Art Center, Oslo, n.b.k Berlin, Taipeh Biennial
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Bildformat
16:9
Tonformat
Stereo
Bildfrequenz
50 fps
Farbformat
Farbe
Festivals (Auswahl)
2010
Copenhagen - cph:dox, Intl Documentary Film Festival (New Vision Award)
2011
Paris - Hors Pistes Festival au Centre Pompidou
Rotterdam - Int. Filmfestival
Barcelona - Int. Women Film Festival
Neubrandenburg (D) & Szczecin (PL) - dokumentART Film & Video Festival
Marseille - FIDMarseille International Film Festival
Vancouver - Signal & Noise Festival
Neubrandenburg - dokumentART
Jihlava Documentary Film Festival
New York - Migrating Forms
2012
Hamburg - Dokumentarfilmwoche
Szolnok - Intern. Festival for Fine Arts
Dortmund / Köln - Internationales Frauenfilmfestival
2013
Bonn Videonale
Stuttgart - Filmwinter, Expanded Media Festival
Bonn Videonale