KOI
KOI versammelt und rhythmisiert Nachgedanken und Restbilder eines kurzen Moments: Den Blick in das halbtrübe, stehende Wasser eines Teiches. Zwei Kois (Karpfen) schwimmen abwechselnd von verschiedenen Seiten ins Bild, der Schatten des Stegs und Reflektionen mischen sich hinein. Dieser Stummfilm-Rückblick ist mit den tiefen Bordun/Drone-Tönen von Stefan Neméth's Komposition unterlegt und wird mit Elementen eines zweiten Moments überlagert: dunkle Farbtropfen, Papierstrukturen, Tropfgeräusche.
Immer mehr ähnelt die Perspektive der durch eine Glasscheibe, wird der Moment in der Wiederholung zu einem Augenblick einer anderen Zeit: Jener, in der wir mit geschlossenen Augen leben, in der Wahrnehmung, Reflektion und Erinnerung keinem Anderen mehr gegenüberstehen, keinen Kontrollen mehr unterworfen werden und aus sich heraus nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten arbeiten. Es kommt zu einem Ineinander von natürlichen Medien" wie der Wasseroberfläche, Filmtechniken wie Stop-Motion, Überblendung und Rückblende, sowie Ebenen und Strukturen aus der Fotobearbeitung.
KOI macht die Bandbreite der Verwandlung sichtbar, die analoge Bilder in digitalen Räumen durchlaufen können, zeigt, wie sie unsere Wahrnehmung verändern - und wie unser Blick eben diese Werkzeuge für sich übernimmt, sie assimiliert und aufhört, lediglich analoge Erinnerungen" abzuspeichern. Persönliche Perspektiven öffnen sich, vermischen sich, werden visuell neu interpretiert.Die Requisiten sind daher gleichzeitig Akteure einer Handlung: Die unzähligen rekursiven Bearbeitungsschritte und Manipulationen sind eine Inszenierung mentaler und kognitiver Verarbeitungsprozesse. In der rhythmischen Wiederholung oszillieren die Bildelemente fortwährend zwischen diesen Seiten, nehmen Bedeutung an und legen sie ab, verformen und verändern sich und ihre Konnotationen. Authentisch ist Vergangenheit, Wahrnehmung und Erinnerung erst dann, und in ihrer eigenartigen Schönheit, vermitteln die mysteriösen Symbole und bewegten, dunklen Wasserwelten von Koi die Vielschichtigkeit dieses Paradoxons und das Lebensgefühl, in das wir eintauchen, wenn wir den Metamorphosen unserer Erinnerungsbilder nachgehen.
(Matthias Goldmann)
KOI
2010
Österreich
8 min 20 sek