Apnoe
Normalität ist Auffassungssache. Für die Protagonist/innen des zehnminütigen Films von Hund & Horn scheint der Umstand, dass ihre Welt eine elementar andere «Konsistenz» aufweist, vorerst keine Beeinträchtigung der alltäglichen Routine zu bedeuten. Auch wenn der Frau des spießigen Elternpaars bei der Morgentoilette die Zahnpasta-Speichel-Schwaden fast schon den Kopf vernebeln, oder der Vater vor dem Genuss des Frühstückstoasts noch eine kleine akrobatische Einlage hinlegen muss, um der davondriftenden knusprigen Scheibe habhaft zu werden – vordergründig läuft alles normal in der (Unterwasser-)Welt von Familie Berger. Die üblichen Eltern-Kind-Muster: die Ermahnung: «Anna, sitz aufrecht!», der dem bürgerlichen Bildungskanon folgende Flötenunterricht, die Glotze als einschläfernde Abendunterhaltung der Eltern, währenddessen sich die Tochter aus dem Haus schleicht, ab in die Lieblingsbar für einen Drink und ’ne Runde tanzen.
La grande fadesse – wären da nicht die minutiös ausgelegten Stolpersteine, die diesen, aber auch unseren Lebensalltag brüchig erscheinen lassen. So ist die weitgehend wortlose Kommunikation weniger die Folge des Lebensumfelds, sondern eher ein Symptom einer auf rituelle Gesten und codierte mimische Ausdrücke geeichten Gesellschaft. Die fundamentale Differenz zwischen einer selbstverständlichen nonverbalen Verständigung (weil beim Tanzen und Flirten keine Worte notwendig sind) und einer auf Unverständnis beruhenden Stummheit (weil es für die wichtigen Anliegen eben keine Worte gibt) tritt verschärft zutage. Und auch die scheinbar atmosphärisch bedingte Motorik der Tochter lässt sich bei genauerer Betrachtung als ein An-Gehen gegen bestimmte Zwänge und Muster lesen. Hund & Horn entwerfen mit dem Film eine Art Mikrodrama, das mittels Absurdität und Slapstick und vor allem ohne Belehrung den Schorf der vermeintlich heilen Welt abkratzt.
(Irene Müller)
Apnoe beschreibt vordergründig den Tagesablauf einer Familie. Die Protagonisten haben jedoch erhebliche Probleme bei der Bewältigung ihres Alltags. Mit Schwerelosigkeit konfrontiert, gerät das Familiengefüge ins Wanken und die Hierarchische Struktur beginnt sich aufzulösen.
Apnoe ist der dritte Teil der „Schwerkrafttrilogie“ von Hund & Horn. In ihren Filmen führen sie lustvoll und ironisch räumliche Verhältnisse und die Vorstellung von Normalität ad absurdum.
Apnoe
2011
Österreich
10 min