American Passages
„Yes we can! And we did – you can’t stop us now!” Mit einem Moment ungebremster Euphorie in der Wahl- nacht Obamas im Herbst 2008 beginnt American Passages: Menschen, die auf der Straße tanzen und die Wahl des ersten schwarzen Präsidenten der USA feiern. Sie freuen sich über diesen historischen Augenblick, als wären sie erst jetzt vom Trauma der Sklaverei befreit. Es ist jedoch derselbe Moment, in dem die Wirtschaft zerbricht, und plötzlich jene Machbarkeit infrage gestellt wird, durch die sich das Land so sehr definiert.
Die Frage nach dem Zustand Amerikas treibt Ruth Beckermann von New York aus quer über den Kontinent, durch insgesamt elf Bundesstaaten - in Wohnblöcke, wo die Menschen viele Kinder und wenig Geld haben, auf Partys, in Gefängnisse und zu Memorials, in Privathäuser, die von der Pfändung bedroht sind, in Gerichts- säle, Universitäten, in ein Casino. Und an die vielen Nicht-Orte dazwischen: Autobahncafés, Tankstellen, Highways.
Es sind Begegnungen von großer Unmittelbarkeit, sorgfältige Momentaufnahmen, die in ihrer Gesamtheit das Bild einer vielgesichtigen, vielschichtigen Nation im Wandel ergeben: Ein desillusionierter junger Irak- Veteran, Joint in der Hand, erzählt, wie er nach 9/11 fühlte, „etwas tun zu müssen“, und sich freiwillig bei der Army meldete. Ein homosexuelles Väterpaar erinnert sich zurück, wie die Adoptivkinder unvermittelt ankamen. Eine Frau packt ihr Leben in Schachteln, weinend, weil sie ihr Haus an die Bank verliert. Party- Tiger in Las Vegas betreiben Charity und ein alter Zuhälter steht am Roulette-Tisch und philosophiert über das gute Leben.
Ein Film, der dieses Land zu fassen versucht, muss immer vom Auto aus stattfinden, und auch Beckermann schaut mit dem Blick der staunenden Fremden auf die Vereinigten Staaten und überprüft, welche der Bilder in unseren Köpfen der Realität standhalten. Der Amerikanische Traum, das Selfmade-Man-Diktat, die stän- dig proklamierte Meinungsfreiheit, die Verfassung: Es sind utopische Ideen, die hier funktionieren und im
nächsten Augenblick dekonstruiert werden durch Zwischentöne, Seitenblicke, den Bildausschnitt, den Be- ckermann nicht ohne Humor wählt. Jeder lebt seine eigene Fiktion, und baut damit weiter an dem Konstrukt Amerika.
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American Passages
2011
Österreich
120 min