Play Life Series
Es beginnt mit einem traditionellen chinesischen Schwertkampf. Zwei Männer in Rüstung tauschen sorgsam choreografierte Schläge aus und wirbeln dabei kunstvoll durch die Luft. Bei genauerem Hinsehen erkennt man die Schnüre, mit denen ihre Körper in die Höhe gezogen werden.
Überhaupt ist der Illusionscharakter dieser Martial-Arts-Szene mehr als durchlässig. Die Kamera wandert zwischen den konzentriert agierenden Schauspielern und jenen, die ihnen dabei zusehen oder das Spiel mit der Kamera aufnehmen, hin und her. Ella Raidels Videoarbeit Play Life Series legt von Anfang an die eigene Vorgehensweise offen. Wir sehen Dreharbeiten und Drehorte, an denen chinesische Soap Operas entstehen. Der fiktionale Gehalt der jeweils geprobten Szene wird durch Kameraschwenks auf Filmteams oder Kameramänner aufgebrochen und als Prozess des Making-of sichtbar gemacht. Gleichzeitig wiederholt Raidel mittels Editing bestimmte Bewegungen, Handgriffe oder Gesten der Charaktere und forciert dadurch deren seriellen Gehalt. In den Repetitionen wird deutlich, inwiefern Schwertkämpfen, Weinen, Lieben oder Aufbegehren Teil eines medial vermittelten Gesten-Repertoire sind.
Im Kapitel Play Life Cry weint eine junge Frau beim Vorstellungsgespräch, während sie sich bei einer Firma namens Anti-Fake-Factory bewirbt. Zum Beweis ihrer Qualifikation hält sie Zertifikate in Form roter Bücher in die Luft. Diese Bücher erinnern vage an die Mao-Bibel, die Signalfarbe Rot – die großzügig in der Farbgebung der Mise-en-Scene vertreten ist – verweist auf die Farbe des Sozialismus, aber auch auf die der blutenden Liebe und das Melodram. Das nächste Kapitel, Play Life Love, bebildert den Auftritt eines Popsängers und seiner Liebesschnulze mit einem Videoclip, in dem eine junge Frau verzweifelt durch die Straßen eilt. Beide Episoden beschäftigen sich offensiv mit jenen Mechanismen, die der Soap Opera ureigen sind: der Öffentlichmachung privater Gefühle und der Privatisierung von öffentlichen Räumen. Dieser Prozess zieht oft eine Entpolitisierung nach sich, nicht aber in Raidels Arbeit: Immer wieder schiebt sich die beobachtende Kamera als Agent des Dokumentarischen ins Bild und dringt in intime Spielszenen mit einem überwachenden, korrigierenden Blick ein. In der Schlussepisode, wo ein renitenter Angestellter nach einer Auseinandersetzung wütend das Büro verlässt, wiederholt sich das Motiv des beobachtenden Auges. Inmitten der anonymen Stadtarchitektur und deren unzähligen, blicklosen Fenstern findet sich in einer Außenfassade das Werbe-Clip von einem glotzenden Pandabären.
Ella Raidels Arbeit verhandelt ironisch die chinesische Soap Opera als Fake-Factory kollektiver Sehnsüchte, die im Wechselspiel zwischen Fiktion und Making-of die Wirklichkeit prüfend durchdringt – als Ort von Image-Making und Image-Controlling. (Alexandra Seibel)
Play Life Series
2012
Österreich
11 min