Unser Lied
Coni (Conrado Molina) schläft fast nie. Tagsüber Wagerlschieber beim Paketdienst, abends Musiker, ist er zwischendurch auch noch alleinerziehender Vater einer dreijährigen Tochter. Bei seinen schlecht bezahlten Reggae-Gigs in kleinen Clubs ist er im Takt, sein sonstiges Leben verläuft bestenfalls off-beat. Durchwurschteln als Lebensmaxime, daran hat er sich inzwischen gewöhnt. Und so läuft es eigentlich ganz gut bis zu dem Moment, da die Kindesmutter (Emily Cox) nach einem halben Jahr plötzlich auftaucht und ihren Platz im familialen Dreieck wieder besetzt, woraufhin Coni – inzwischen zur Hälfte in einer neuen Beziehung – sich im Geflecht der Halbherzigkeiten vollends verheddert.
Filmautorin Catalina Molinas Interesse für prekarisierte Lebensformen verdichtet sich wie schon in Talleres Clandestinos in Figuren, die von äußeren ökonomischen Umständen an- und von kurzfristigen amourösen Verwicklungen umgetrieben werden. Die daraus folgenden Notlügen, Deplazierungen, scheiternden Handy-Verbindungen garantieren permanentes Multitasking und erwecken den Anschein handlungsmächtiger Figuren, die in Wirklichkeit aber nur von einer instabilen Situation in die nächste fallen. Knappe Dialoge skizzieren deutlich das Ungesagte, in den oft streng komponierten szenischen Schlusstableaus steckt melodramatisches Potenzial: Molinas Drahtseilakt besteht darin, empathisch mit ihren Figuren zu bleiben, ohne dabei analytische Schärfe zu opfern. Die insistierende Präsenz des Kindes (Namiya Ettl) – als stets drittes Element – fungiert dabei als Brennglas, das das Netzwerk der Unverbindlichkeiten als mad world sichtbar werden lässt. Unser Lied – als utopische Chiffre für Gemeinsamkeit – wird nur ansatzweise intoniert und hauptsächlich als Verstimmung vernehmlich. Unser Leid jedoch – davon wissen alle ein Lied zu singen.
(Michael Palm)
Unser Lied
2012
Österreich
31 min 15 sek