Paperwork
Fabrik und Büro – diese beiden architektonischen Pole kennzeichnen Sasha Pirkers Paperwork. Da ist zum einen eine Papierfabrik im italienischen Verzuolo, deren großteils automatisierte Abläufe der Film – im ersten und letzten Drittel – in meist statischen Einstellungen festhält. Zum anderen führt Paperwork in, rund um bzw. durch den Firmensitz der Burgo Group, angesiedelt in San Mauro nahe Turin, zu deren Produktionsstätten besagtes Papierwerk zählt. Das Verwaltungsgebäude wurde Ende der 1970er-Jahre nach Plänen des, heute würde man sagen Stararchitekten, Oscar Niemeyer errichtet und ist zu weiten Teilen noch im Originalzustand erhalten. Wie ein elegant geschwungenes, kreisförmiges Raumschiff steht der Bau in der Landschaft und kündet von einer Ära, in welcher der Verwaltungs- und Dienstleistungssektor der Industriearbeit den Rang abzulaufen begann.
Dementsprechend fällt auch die Gegenüberstellung von mechanischer und administrativer Arbeit bzw. der ihnen zugedachten Räume aus: Während erstere gleichsam subjektlos, dafür aber unter tosendem Maschinenlärm ihren Lauf nimmt, ist zweitere durch den Aufenthalt, ja die verhaltenen Bewegungen der hier arbeitenden Menschen geprägt. Wiederholt sieht man sie Treppen auf- und abschreiten, inmitten von Akten- und Papierbergen sitzen, schließlich in der hochaffektiv wirkenden Werkskantine. Die Schilderung des Arbeitsalltags, dessen Ablauf von morgens bis abends Paperwork lose folgt, wird immer wieder von architektonischen Detailansichten unterbrochen. Zugleich beginnt sich die Tonspur, zu Beginn noch eindeutig den Bereichen Büro und Fabrik zugeordnet, immer mehr zu durchmischen, aufgesprengt durch abrupte, reflexionsartige Stillemomente. Währenddessen laufen die Förderbänder in der Werkshalle auf Hochtouren – die „Papierarbeit“, die der Titel mehrdeutig anspricht, scheint in dem Industrie-Setting selbst keinen Platz mehr zu haben bzw. ist längst anderswohin ausgelagert.
(Christian Höller)
Paperwork
2012
Österreich
15 min