Guilty Until Proven Innocent
Guilty Until Proven Innocent ist das Porträt einer Gruppe von Frauen. Sie erscheinen mit einem Lichtflackern im Bild, es sind sieben. Die Kamera nimmt sie halbnah auf, als Torso, durch einen Zaun hindurch. Sie stehen ruhig, dicht aneinandergereiht, in die Kamera schauend: Sie verhalten sich nicht zueinander, sondern nur zur Kamera. Was sie auf den ersten Blick verbindet, ist, dass sie alle fortgeschrittenen Alters sind. Diese Anordnung – das Alter der sieben; der Maschendraht, der das Bild durchkreuzt; die Reihung der Körper – erschafft eine homogene Oberfläche, die zunächst auch erhalten bleibt, als nach einem Schnitt eine der Frauen durch Friedl vom Gröller selbst ausgetauscht wird. Die Gesichtsausdrücke verstärken diesen Eindruck allenfalls, sie sind gleichförmig, gelassen, verraten keine spezifischen Emotionen oder Gedanken, bewegen sich auf einer feinen Linie zwischen Lächeln und Strenge. Diese bewusste Ausdruckslosigkeit der Frauen hinter dem Maschendraht wirft als Kommentar auf den Filmtitel Fragen: Guilty Until Proven Innocent – Guilty of what? Warum diese Ausgrenzung?
Da dreht Friedl vom Gröller sich um, und sieht sich die Frauen an, die rechts von ihr stehen. Eine von ihnen lächelt ihr unwillkürlich zu. Die Inszenierung ist gebrochen, nachdem vom Gröller mit ihrem Blick wieder zur Kamera zurückgekehrt ist, wird das Bild schwarz. Wir wechseln das Dispositiv und den Rhythmus. Am anderen Ende der Zäsur erwartet uns die Großaufnahme, die jede Unebenheit der einzelnen Gesichter bloß legt. Sie – die Kamera – ist jetzt Teil der Frauengruppe, fährt – jenseits des Maschendrahts – neugierig die Gesichter ab, verwackelt sie. Sie untersucht – und sucht, wie durch eine Lupe: vielleicht nach Spuren von Schuld und Unschuld. Sie dokumentiert unterdessen Spuren von Leben.
(Sylvia Szely)
Die Verfilmung meines Unbehagens eine Frau im Alter zwischen 60-70 Jahren in unserer Gesellschaft zu sein, hat die Funktion eines Ventils. Sie beruht auf dem Unverständnis nicht betroffener Menschen, wenn ich von Negation, manchmal misstrauischen Reaktionen im täglichen anonymen Umgang in der Öffentlichkeit berichte. Selbst gleichaltrige Frauen passen sich der allgemeinen Alterspanik an, die der Grund dafür sein mag und übersehen einander geflissentlich. Auch ich habe diesen, alternden Frauen gegenüber, ausgrenzenden Blick an mir bemerken müssen.
(Friedl vom Gröller)