High Tide
Hypnotisch bannt High Tide den Blick auf eine Landschaft, eine vormenschlich- oder postapokalyptische, in jedem Fall aber zeitlose Anordnung in Variationen von Grau - Lovecrafts Berge des Wahnsinns. Erstarrt, trocken und matt glänzend wie nasser Teer reißen sie ein Loch zwischen das düstere Meer und den gräulichen Himmel. Im Vergehen der Minuten wird der Blick selbst zum eigentlichen Zentrum der Aufmerksamkeit, entwirft Marxt einen durch und durch insistierenden Gestus des Kameraauges, dessen erstarrte Rigidität jede noch so kleine der aufgezeichneten Bewegungen unendlich vervielfacht. Der unfassbaren, düsteren Eleganz dieses schwappenden und dröhnenden Landschaftsgemäldes – der Bewegung der Wellen, des Kreisens der Vögel, des Hebens der Wolkendecke - folgt eine wie mit Pinsel gezogene Kreisfahrt, die von all dem erzählt, was wir im Blick auf das statische, schneidend präzis kadrierte Gesteinsmassiv schon vergessen hatten – der Welt jenseits des Bildes. Es entsteht ein Moment der vollkommenen Orientierungslosigkeit, die aus der schieren Unendlichkeit der Landschaft und einem scheinbar nicht in Einklang zu bringendem Verhältnis von Betrachtungsstandpunkt und der wahrgenommen Kamera- und Wellenbewegungen entspringt. In High Tide werden die 2 Bewegungsmodi des Films – jener im Bild, und jener des Blickes selbst – sorgsam voneinander getrennt und fast schon didaktisch hintereinander gesetzt. Dabei zieht der Film gedanklich eine Linie – vom Sujet der Landschaft in der Romantik, zum kreisenden Blick des Panoramabesuchers bis hin zum filmischen, Bewegung aufzeichnenden Bild. High Tide ist das Zeugnis einer Landschaft und der Möglichkeit dieser im Filmischen virtualisiert überall auf der Welt (wieder und wieder) zu begegnen. Und zugleich: Zum Abstrakten tendierende Malerei in Bewegung, das Auflegen eines Pinsels (oder eines unmenschlich starren caméra stylo) und das Ziehen eines Strichs, die Dauer im Befüllen der Leinwand.
(Alejandro Bachmann)
High Tide ist der letzte Teil meiner Arktistriologie. Die Einstellung zeigt eine Wasseroberfläche vor einer Bergkette. Nach vier Minuten dreht die Kamera langsam nach links ab und eröffnet einen Einblick in die unwirkliche Landschaft. High Tide ist die Aufzeichnung eines menschlichen Eingriffs in die Natur. Anders jedoch als Reign of Silence wird eine 450 Grad Drehung von einem Segelboot aus aufgenommen. Die Spur die es im Wasser hinterlässt, teilt die Meeresoberfläche in zwei unterschiedliche Zustände und schafft eine temporäre Grenze zwischen Betrachter und betrachteter Landschaft.
(Lukas Marxt)
High Tide
2014
Österreich, Deutschland
8 min