Kirschenzeit
Ein Salonstück in schwarzweiß aus Friedl vom Gröllers Serie über das Altern.
Monsieur und Madame sind ein fröhliches, nicht mehr ganz junges Paar, er trägt Polohemd und sie ein gemustertes Sommerkleid. Er legt den Arm um sie, eine Kirsche wird verspeist. Die Kamera schwenkt auf den Tisch. Ein kleiner Prolog wie im Pornofilm.
„Heute Nachmittag bin ich in meiner Dienstmädchenkleidung, mit Häubchen und Schürze, und strengem schwarzen Rock, die Haare zurückgebunden – nur eine Strähne wollte partout nicht halten – in die Wohnung gekommen. Es ist dort alltäglich eingerichtet, ein kleines Sofa, Bücherregal, Vasen, Kerzen, ein schöner Tisch. Ich habe die Schüssel mit Kirschen vorbereitet, die Karaffe mit Wasser gefüllt, sowie Mieder und Lack-Hosen für Madame und Monsieur bereitgelegt.“ So könnte sie es erzählt haben, Josephine, die junge Zofe.
Und nun das Liebesspiel von Madame Martina und Monsieur Martin. Als Silhouette im Gegenlicht ein gut geschnürtes Korsett, die Hintern nackt und in Lack. Da kommt auch Josephine um die Ecke. Die Kirschen stehen auf dem Tisch. Rückenakt mit Netzstrümpfen und Händen, die streicheln. Er saugt an ihren Brüsten, nun ohne Mieder hat sie lustvoll den Kopf zurückgelegt, Cunnilingus. Die Reflexe des schwarz glänzenden Herrenhöschens, die Abdrücke des Büstenhalters auf ihrer Haut, die Leberflecke, die Brille, ein Liebhaber mit Bauch. Die Filmemacherin umkreist das Paar. Gesten und Unschärfen, intuitiv-präzise Kameraschnitte verdichten die Situation in Abschweifung und Ausschweifung. Die Haut des Films ist ein Liebesverhältnis. Der Blick der ‚Zofenfigur’ als Pendant zum Blick der Kamera nimmt lächelnd Anteil an der Erregung, außen stehend und eindringlich. Madame wendet sich dann kurz aus dem Kuss und empfängt die Kirsche mit ihren Lippen – von der Kammerzofe mit eleganter Handbewegung vom Silbertablett gereicht. In der letzten unscharfen Einstellung posiert die Zofe neben dem Paar wie in einem Amateurfilm vor einer Sehenswürdigkeit.
(Madeleine Bernstorff)
Obwohl ein Paar in Lackbekleidung und Korsett beim expliziten Liebesspiel gezeigt wird, hat der Film nicht die Intention, wie ein Pornofilm zu wirken.
In der Kamera geschnitten umkreist die Filmemacherin die stellungen des nicht mehr jungen Paares. Durch beabsichtigte Willkür in der Wahl der Zeitpunkte und Bildausschnitte wird Ungereinigtes, Unbeabsichtigtes der Modelle - eine gewisse Absurdität - sichtbar. Eine junge Kammerzofe ist im Raum anwesend und beobachtet das Geschehen. Später wird sie von einem Silbertablett Kirschen servieren. In der letzten unscharfen Einstellung posiert sie neben dem ausschweifenden Paar wie in einem Amateurfilm vor einer Sehenswürdigkeit.
(Friedl vom Gröller)