Riding my Tiger

Der Filmemacher Ascan Breuer sucht nach einem Tigergeist, der im Haus seiner Vorfahren auf Java herumgespukt haben soll. Der Geist ist nicht ohne weiteres auffindbar, er will mit Ehrfurcht beschworen werden. Alsbald ranken sich verschiedene Geschichten um ihn, personifiziert als Figur des Großvaters, als Geist des alten Mannes im Garten, der Dieben und schlechten Handwerkern den Garaus macht, und er erinnert an die Widerstandskräfte gegen den niederländischen Kolonialismus und die Konflikte in der Zeit des Kalten Krieges.
Diese Suche verbindet einen autobiografischen und familiengeschichtlichen Erzählstrang mit einem historischen weltumspannenden Migrationsnarrativ. Doch ehe man sich versieht, materialisiert sich der Geist, beobachtet den suchenden Filmemacher, energetisiert die Bilder der Geschichte und wirkt auf die Gegenwart, huscht als Schatten durch den Garten und kommentiert als Schattentheater-Figur die komplexen Verstrickungen von Gegenwart und Vergangenheit.
In Riding my Tiger ist Ascan Breuer Hauptfigur, Regisseur und Autor. Mit Victor Jaschke an der Kamera als ‚Dokumentarisches Labor’-Duo erzählt er die Geschichte seiner javanisch-chinesischen Familie und verleiht ihr universellen Charakter. Zugleich amüsiert er sich aber auch über das Motiv der Identitätssuche, die eigentlich eine anmaßende Form des Eindringens ist, und die im Genre des ethnografisch dokumentarischen Films eine eigene Geschichte hat. Breuer interessiert hier weniger der Umgang mit dem dokumentarischen Stoff als vielmehr die Praxis eines tradierten mythischen Erzählens, die er in Anlehnung an den sogenannten "magischen Realismus" in der Literatur "magischen Dokumentarfilm" nennt. Dabei entsteht eine hybride und improvisierte Ästhetik. Das lässt die sichtbare Figur des Filmemachers zwielichtig erscheinen, aber als Filmprojekt karikiert es den Kulturkonflikt mit Mitteln der Kultur: mit dem javanischen Schattentheater "Wayang", eine tausende Jahre alte Vorführkunst, die die technische Apparatur des Kinos vorwegnahm. Gemeinsam mit dem javanischen "Dalang" Tardjono Wignyopranoto – Master of Ceremony des Wayangs – interpretiert Breuer diese Kunst für das Kino neu.

(Marie-Hélène Gutberlet)


Riding my Tiger ist die autobiographische Erforschung des Filmemachers seiner indonesisch-chinesischen Familiengeschichte, die mit der Kolonialgeschichte und den politischen Gräultaten der jüngeren Vergangenheit Indonesiens verknüpft wird. Der Tigergeist, der im Haus seines Großvaters auf Java leben soll und der die sehnsuchtsvolle Suche des Regisseurs auslöste, verwandelt sich im Laufe des Films in die (mythische) Stimme der Vergangenheit und wirft mithilfe des javanischen Schattentheaters "Wayang" - für den Film durch einen Wayang-Meister auf kunstvolle Weise neu interpretiert - einen Blick auf die Verstrickungen von Gegenwart und Vergangenheit, von westlicher und östicher Welt. Dem Film gelingt wunderbar, die unterschiedlichen Ebenen von Mythos, Magie und Faktizität zusammenzufügen und daraus eine Welt voller Poesie zu erschaffen.

(Outstanding Artist Award 2015 - Republik Österreich)

Weitere Texte

Outstanding Artist Award 2015 / BKA Kunstsektion (Preis (Auszeichnung))

"In der österreichischen Filmlandschaft stehen Ascan Breuers Arbeiten für eine formale und selbstkritische Weiterentwicklung der dokumentarischen Form. Seine Filme produziert er als Dokumentarisches Labor – und "Labor" ist hier programmatisch gemeint: das handwerklich versierte, filmisch lustvoll-neugierige Experimentieren mit unterschiedlichen dokumentarischen Herangehensweisen zeichnen seine Filme aus. Die Themen der Flucht, Migration, der Suche nach Identität, der Selbstermächtigung unterpriviligierter Menschen und des Hinterfragens von Exotismus kehren in all seinen Filmen wieder. Zugleich hinterfragt er seine eigene, durchaus auch widersprüchliche Rolle als Filmemacher und die Bedeutung von Wahrhaftigkeit im Dokumentarfilm. Was wir an seinen Filmen besonders schätzen, ist die Fähigkeit des Filmemachers, unterschiedliche filmästhetische Mittel souverän einzusetzen und immer selbstreflexiv die Grenzen des Dokumentarischen auszuloten. […]
In RIDING MY TIGER erforscht der Filmemachers seine indonesisch-chinesischen Familiengeschichte, die mit der Kolonialgeschichte und den politischen Gräueltaten der jüngeren Vergangenheit Indonesiens verknüpft wird. Der Tigergeist, der im Haus seines Großvaters auf Java leben soll und der die sehnsuchtsvolle Suche des Regisseurs auslöste, verwandelt sich im Laufe des Films in die (mythische) Stimme der Vergangenheit und wirft mithilfe des javanischen Schattentheaters Wayang – für den Film durch einen Wayang-Meister auf kunstvolle Weise neu interpretiert – einen Blick auf die Verstrickungen von Gegenwart und Vergangenheit, von westlicher und östlicher Welt. Dem Film gelingt wunderbar, die unterschiedlichen Ebenen von Mythos, Magie und Faktizität zusammenzufügen und daraus eine Welt voller Poesie zu erschaffen" (Laudation der Jury)

Festival dei Popoli, Florence/IT 2014

"The story of Ascan Breuer´s physical/psychic journey to track down the origins of his family. He is a young German citizen exploring the island of Java along with its culture, traditions and ghosts. The beginning of the film, reminiscent of an intimate diary, soon gives way to a competely different mood. The journey becomes research. The research turns into investigation. Tracks become clues to be deciphered. First-hand accounts are testemonies to be pieced together, like scattered fragments of an uncertain story that is full of gaps. This documentary offers two elements that are usually alien to the genre: suspense and preternatural. Therefore, the viewers are plunged in a film that is also an actual paranormal thriller. Psychological and ethno-anthropological materials are rewritten according to the forms of cinematic narration of mise-en-scéne. Therefore, emotion (pathos) becomes style and culture becomes a (ghostly) character."
(55 Festival dei Popoli, Int. Doc. Film Festival Florence, 28.11.–5.12.2014)
Orig. Titel
Riding my Tiger
Jahr
2014
Länder
Österreich, Indonesia
Länge
40 min
Regie
Ascan Breuer
Kategorie
Dokumentarfilm, Essay
Orig. Sprache
Deutsch, Javanesisch
Untertitel
Englisch
Downloads
Filmstill (Bild)
Credits
Regie
Ascan Breuer
Drehbuch
Ascan Breuer
Kamera
Peter C. Beyer, Victor Jaschke
Kameraassistenz
Maruli Sihombing
Musik
Roumen Dimitrov
Schnitt
Ascan Breuer
Sound Design
Roumen Dimitrov
Dramaturgische Beratung
Mara Mattuschka
Darsteller*in
Ascan Breuer, Tardjono Wignyopranoto
Produktion
Ascan Breuer
Regieassistenz
Bustanul Arifin
Verfügbare Formate
DCP 2K flat (Distributionskopie)
Bildformat
1:1,85
Tonformat
Dolby 5.1.
Bildfrequenz
25 fps
Farbformat
Farbe
Digital File (prores, h264) (Distributionskopie)
Festivals (Auswahl)
2014
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films
Nyon - visions du réel - Festival Int. du Cinéma Documentaire
Duisburg - Duisburger Filmwoche
Kassel - Dokumentarfilm- & Videofest
Firenze - Festival dei Popoli
Yogyakarta Int. Film Festival
2015
Hamburg - Dokumentarfilmwoche
Münster - Int. Filmfestival
2016
Wien - Ethnocineca Documentary Film Festival