kritische räume brauchen zuneigung
Das Seebad Prora auf Rügen: Erholungsutopie, denkmalgeschützte Ruine, Mahnmal nationalsozialistischer Gigantomanie. Nicht über die trügerische Totale der Außenansicht, sondern in Form einer performativen Innenerkundung – hüpfend, fliegend, stampfend – durch- und vermisst Miriam Bajtala den historisch aufgeladenen Gebäudekomplex. Auch als Kommentar zu den Gräueln, die aus geschichtlicher Teleologie resultieren, überwirft sie das Prinzip der Linearität: Ordnungsprinzipien geraten außer Kraft, Film und Schauplatz befinden sich korrespondierend im Verfall. (Sebastian Höglinger, Diagonale Katalog)
Der Schauplatz des Videos kritische räume brauchen zuneigung ist das zwischen 1936 und 1939 geplante und zum Teil errichtete Seebad Prora auf der Insel Rügen (Anm.1). Der Ausgangspunkt der Arbeit ist eine performative Raumerkundung. Im Video findet eine körperliche Vermessung dieses riesenhaften Gebäudekomplexes in einer speziellen, experimentellen und komprimierten Weise statt: ich hüpfe, fliege, stampfe durch die vielen unterschiedlichen, teils ähnlichen, Räume. Darin ist ein leichter, fliegender, montierter Körper sichtbar, aber auch einer, an anderen Stellen, der beschwert wurde und sich durch den Schnitt fast buchstäblich in den Boden rammt.
kritische räume brauchen zuneigung zeigt in spielerischer Form die Potenziale und Möglichkeiten eines Films, die verschiedenen Ansätze und Herangehensweisen, Perspektiven, Ordnungen, Kamerabewegungen. Gleichzeitig ist der Film, ähnlich seinem Schauplatz, im Begriff zu zerfallen.
Die Bildabfolgen sind teilweise durcheinander geraten. Die lineare Erzählform, die einen Anfang und ein Ende setzt, ist hier eine der Möglichkeiten einer Ordnung. Der filmische Blick von außen, der eine Ortung im Gebäude schaffen könnte, wird verwehrt. Lediglich von innen ist der monströse Komplex erfahrbar. Orientierungslos im Bauch des Wals. Es ist spannend zu schauen, wo im Film der Körper der Protagonistin wieder auftaucht bzw. wohin er verschwindet. Mind the gap!
Anm.1: Nach seiner Fertigstellung sollten hier durch die Organisation Kraft durch Freude 20 000 Menschen Urlaub machen können. Der Gebäudekomplex ist in etwa 4,5 km lang und verläuft entlang der Küste. Nach dem Beginn des 2.Weltkrieges wurden die Bauarbeiten eingestellt. Heute steht der gesamte Komplex unter Denkmalschutz. Jahrelang lag die Anlage brach und verfiel. Von 2004 bis 2011 hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben den Gebäudekomplex an unterschiedliche Investoren veräußert. Miriam Bajtala
kritische räume brauchen zuneigung
2014
Österreich
12 min