Einszweidrei
Aktionen: Otto Muehl, Günter Brus, Peter Weibel, Valie Export.
In drei Teilen:
1. "Der Lauf der Zeit" (gewidmet Duccio Tessari).
2. "Geheimnisse einer Seele" (gewidmet Giuglio Questi).
3. "Die Geburt Frankensteins" (gewidmet Sergio Carbucci).
Der Film enthält Aufnahmen der Aktionen Silberarsch (16. Materialaktion von Otto Muehl, 1965), Bimmel-Bammel (17. Materialaktion Muehls 1965), Gehirnoperation (22. Materialaktion Muehls, 1965, mit Günter Brus) sowie Aus der Mappe der Hundigkeit von Valie Export und Peter Weibel. Valie führt den auf allen Vieren kriechenden Weibel durch die Wiener Kärntnerstraße (Feber 1968), ferner Ausschnitte aus diversen Amateurfilmen, u. a. einem Film von Walter Funda über Hundezucht. Wilde Montage, Destruierung durch Übermalung des Films.
(E. S. jr.)
(Auch Teil der Rolle 20 Aktions- und Destruktionsfilme)
Peter Tscherkassky zu Einszweidrei von Ernst Schmidt jr.
Dazu ein destruktiver Gestus, der sich gegen das Material selbst richtet: Schmidt zeichnet und malt direkt auf den Filmstreifen. Das meint keine zierlichen Gravuren, sondern der Länge nach hingeschmierte, dicke Filzstiftstriche, die den Bildern heftige Konkurrenz bereiten. An manchen Stellen ist der Streifen der Länge nach durchschnitten und leicht versetzt erneut zusammengeklebt, dann wieder sind Löcher in den Film gestanzt. Dazu Teile, die nie für eine Projektion vorgesehen waren, wie handschriftliche Notizen des Kopierwerks, Startbänder, Blank- und Schwarzfilm. Mehrfachbelichtungen sind zum Exzess gesteigert, bis Muehl sich aufzulösen beginnt, man seine üppigen Glitsch-Orgien im heftig bewegten, nahezu weißen Schleier der totalen Überbelichtung nur mehr erahnen kann. (Peter Tscherkassky, Die rekonstruierte Kinematografie, in: Horwath/Ponger/Schlemmer (Hrsg.), Avantgardefilm Österreich)
In Einszweidrei und den Filmresten findet seinen Abschluß, was Kurt Kren begonnen hatte. In den Aktionsfilmen war Kren weit über das Dokumentarische hinausgegangen und hatte eigene Kunstwerke parallel zu den Aktionen geschaffen. Gerade die außerordentliche Durchgestaltung der Filme (zum Teil mit hunderten Schnittstellen einzelner Kader, die Kren eigenhändig mit der Feuchtklebepresse - in der Projektion also deutlich sichtbar - fertigte) verlieh ihnen eine Aura, die nicht anders, als in Konkurrenz zum Abgebildeten treten konnte. Gerade weil man die Filme als Dokumentationen hätte mißverstehen können, reklamierten sie die Eigenständigkeit des Films als autonomer Kunstform. Dennoch ist in ihnen eine Balance gewahrt, die ihr Verhältnis zu den Materialhappenings als Dialog gestaltet. Ernst Schmidt jr. ging jenen Schritt der vollständigen Emanzipation von einer abzubildenden Außenwelt weiter.
(Peter Tscherkassky, Die rekonstruierte Kinematografie, in: Horwath/Ponger/Schlemmer (Hrsg.), Avantgardefilm Österreich)