Allegorie
Eigentlich als Probefilm konzipiert, mit dem die Künstlerin ihre fehlerhafte Kamera austesten wollte, steht Friedl vom Gröller in Allegorie vorne im Bild, wo sie bemüht statisch in die Kamera blickt. Hinter ihr bringt eine Runde von anderen Frauen dann insofern Bewegung ins Bild, als dass sie zu Beginn noch sehr ernsthaft, aber schließlich doch irgendwann fröhlich plaudernd das Filmbild durchqueren. Allegorie stellt die Melancholie Gröllers der Fröhlichkeit ihrer Schülerinnen gegenüber.
(Christa Benzer)
Der Beginn des Films markiert einen Auftritt und gewährt eine Ansicht. Friedl vom Gröller tritt von rechts ins Bild und platziert sich an der linken Bildhälfte. Sie schaut direkt in die Kamera. Ihr Blick wirkt unzufrieden, etwas missmutig, tiefe Augenringe und glänzende Haut schärfen das Gesicht. Sie zupft am Kragen, die Stimmung erscheint angespannt. Friedl vom Gröller ist zu diesem Zeitpunkt achtundfünfzig Jahre alt. Sie stellt sich ganz unverblümt ins Bild, so wie sie in diesem Moment ist, ohne durch schmeichelhaftes Licht oder kaschierendes Make-up die Spuren des Alters zu vertuschen. Eher das Gegenteil ist der Fall, eine Inszenierungsfacette, die auch häufig in ihren fotografischen Jahresportraits Anwendung findet. Sie setzt sich der überprüfenden und kritischen Betrachtung aus, stellt ihre eigene Person quasi als ungeschöntes Bild zur Verfügung. Dann tauchen im Hintergrund vier Frauen auf, die alle in einem mehr oder weniger nahen Bekanntheitsverhältnis zu Friedl vom Gröller stehen – Linda und Angelita Panzer, Mirjam Ploteny, Margot Wallard.
Die vier jungen, hübschen Frauen bilden einen atmosphärischen Gegensatz: Sie lachen, kommunizieren auch über Blicke, tuscheln und erwecken den Eindruck, fröhlich oder gar glücklich zu sein. Lachen, das weiß jeder, ist ansteckend und so strahlt die gute Laune auf Friedl vom Gröller ab, deren Mundwinkel im Laufe des Films sich minimal aber sukzessive nach oben verziehen. Ein Gefühl entsteht im Gesicht und man kann in Allegorie dieser Gefühlsregung zuschauen. Kurz vor Ende bricht Gröller in ein herzliches Lachen aus und findet erst zum Schluss wieder in die anfängliche Geste, auch eine Pose, zurück. Dennoch ist dieses inszenierte Selbstportrait, jede Abbildung ist eine Form der Inszenierung, nach dem Abblenden ins Schwarz ein neuer Anfang, der zwar keine Veränderung in der Lebenssituation birgt, aber eine kleine momenthafte Verschiebung zeigt.
Allegorie wurde mit einer Eumig C16 realisiert, der Film eine Art Vorwand für einen Probefilm, um die Kamera zu testen. Nach Ansicht des entwickelten Materials stellte sich heraus, dass die Laufgeschwindigkeit der Kamera, eigentlich 24 Bilder pro Sekunde, mangelhaft war, mit dem Effekt, dass die Bewegungsabläufe wie in Zeitlupe wirken. Einer dieser technischen Fehler, wie auch die kleine Unschärfe, die Friedl vom Gröller gerne belässt oder gar produktiv macht. Andy Warhols Screentest, in dem er sich selbst präsentiert, hat Friedl vom Gröller natürlich auch gesehen: "Ein Pokerface, mit Sonnenbrille", wie sie sagt. Allegorie ist das Gegenteil; ein Film ohne schützende Accessoires.
(Dietmar Schwärzler)
Als grundsätzliche Stimmung kann trotz berührender und intimer Momente dennoch Melancholie ausgemacht werden. So stehen sich im Film Allegorie (2004) Gröllers Melancholie und die Fröhlichkeit ihrer Schülerinnen gegenüber, die zu Beginn noch bemüht statisch in die Kamera zu blicken versuchen, um schließlich doch plaudernd und lebensfroh abgebildet zu werden. Aber dennoch bleibt im Moment des Weltschmerzes viel Raum für Zärtlichkeit: Die einmalig dargebrachte Liebe der drei Generationen in „Gutes Ende“ hallt noch lange in Gedanken nach.
(Barbara Hinterleitner)
Allegorie
2004
Österreich
3 min