Femme Brutal
"Der Busen ist ja nicht gerade unser einfachstes Körperteil", bemerkt irgendwann eine der Protagonistinnen. Dennoch sieht man in dem diskursiv angelegten Dokumentarfilm von Liesa Kovacs und Nick Prokesch gerade von ihm eine ganze Menge: Und zwar mit und ohne die für die Burlesque-Shows typischen Pasties. Ausgehend von ihren Auftritten im Rahmen des von Katrina Daschner initiierten Club Burlesque Brutal im Wiener Brut reflektieren sieben Performerinnen die Technologien, die sie in Bezug auf das Aufführen des (nackten) weiblichen Körpers entwickelt haben.
Dass sie sich dabei mehr an Künstlerinnen wie Gina Pane und Musikerinnen wie Laurie Anderson orientierten, als an Dita von Teese wird rasch deutlich: Schließlich geht es bereits in der fulminanten Auftaktperformance nicht um die Darstellung eines gefälligen weiblichen Körpers, sondern um sexuelle Begierde, die zwischen Frauen(figuren) entsteht.
Alle sieben Künstlerinnen haben für sich Alter Egos (Madame Cameltoe, Miss Bourbon, Doctor Sourial, Frau Professor La Rose, Miss Kottlett, Madame Don Chanel und Cunt) kreiert, die für ihre Bühnenarbeit sehr wichtig sind: "Alles, was ich auf der Bühne tue und bin, ist richtig", bemerkt dazu Katrina Daschner aka Professor La Rose, während eine Künstlerin namens Doctor Sourial den spannenden Widerspruch einbringt, dass die Bühne einerseits ein gutes Versteck ist, sie sich andererseits beim Ausziehen aber auch mächtig fühlt. Wie es den sieben Performerinnen gelungen ist, sich (auch selbst) von den traditionellen Projektionen auf den Frauenkörper zu emanzipieren, ist das darüber hinaus zentrale Thema, das die Gespräche durchzieht, welche mit imposanten Burlesque-Auftritten alternieren: Da ist die klassische Femme, die ihren Busen in einer riesigen Glasschale badet; die Musikerin, die bei den Aktionisten Anleihen nimmt, und eine Tänzerin, die Bewegungen interessieren, die maschinell-roboterartig, nicht geschlechtlich identifizierbar sind.
Besprochen wird das alles in ebenso geistreichen wie witzigen Interviewsituationen, in denen die Künstlerinnen unter anderem erzählen, wie sie zu ihren Bühnenpräsenzen gefunden haben. Denn dort ist schließlich sehr vieles verhandelbar: Geschlechts- und gattungsspezifische Zuschreibungen, lesbischer Sex, der Mangel an weiblichen Comedians, aufoktroyierte Körperbilder oder eben auch die Überzeugung, dass der blanke Busen – wenn überhaupt irgendwohin – auf die queer-feministische Bühne gehört. (Christa Benzer)
Ohne den Bühnenraum je ganz zu verlassen übersetzt FEMME BRUTAL die im CLUB BURLESQUE BRUTAL aufgeworfenen Fragen zu Identität, Körper und der Lust am Schauen ins Kino. Im Film wird das Backstage zur Bühne. Die glamourösen Bilder der Show stehen gleichwertig neben einer kollektiven Gedankenflut im Rampenlicht. Mit entwaffnender Ehrlichkeit, Selbstironie und Offenheit gewähren die Protagonist_innen dem Publikum Einblicke in ihre unterschiedlichen Hintergründe und "(Lebens-)Performances". (Produktionsnotiz)
Femme Brutal
2015
Österreich
70 min