Capital Cuba
In Kuba, einem Land in dem das Meer allgegenwärtig ist, besteht seit jeher der Drang, diesen Umstand in der Kunst darzustellen. Fantastische wie auch historische und naturalistische Sichtweisen haben eine Fülle an Bildern hervorgebracht, die größtenteils von der Beziehung zwischen dem Meer, der Stadt und ihren BewohnerInnen inspiriert sind. Capital Cuba verwendet bestimmte Örtlichkeiten innerhalb der Bucht von Havanna als Schauplatz, um besagte Beziehung im innovativen Geiste des experimentellen Kinos zu ergründen. Johann Lurf etabliert ein Spiel mit den Möglichkeiten des Kinos ausgehend von einem strukturellen Diskurs, der gleichsam den Schaffensprozess wie auch die Wahrnehmung der daraus hervorgehenden Bilder anregt.
Scheinbar frei von jedem Zwang, einen vorgefertigten Plan zu haben, begibt sich Lurf in den Alltag eines Reisenden. Vom Inneren einer kleinen Fähre aus, die das alte Havanna mit der Ortschaft Casa Blanca verbindet, verzichtet die Kamera auf traditionelle Panoramaaufnahmen und versucht uns stattdessen Einblicke in ein überaus komplexes Ganzes zu geben. Die unterschiedlichen Aufnahmen von Industriearbeiten rund um die Bucht herum konfrontieren uns mit einer Realität, die sowohl widersprüchlich wie auch im Wandlungsprozess begriffen ist: ein Szenario, das zwischen sich derzeit abspielenden Entwicklungsabläufen verhandelt wird, dem allmählichen Verfall und der Verwahrlosung der Hafeninfrastruktur und den Plänen einer zukünftigen Wiederbelebung des maritimen Areals. Durch die Art, wie sich die Kamera bewegt und die Konsistenz der Filmbearbeitung erhält das Material ein ganz besonderes Momentum, einen Rhythmus und eine "innere Melodie", die durch die Filmschnitte geprägt sind. Die Wiederholungen mit ihren subtilen Variationen verlangen vom Publikum, dass es sehr genau hinsieht und heben zugleich die Struktur des Werks hervor.
Capital Cuba schafft eine neue Wahrnehmung des Raumes, den wir nicht nur sehen, sondern auch fühlen. Die räumliche Erfahrung wird durch eine physische ergänzt, in einer Geste, die "die Vorführung als Ereignis" und den dunklen Raum als sein Zuhause versteht. So beschränkt sich dieses Werk nicht auf die Leinwand, sondern reicht bis in unsere Gedanken als ein fortwährender Lese- und Deutungsakt. Es verstört und befragt uns auf dieselbe Weise wie jenen Diskurs, der es zu definieren versucht.
(Yalicel Gabeira)
Translation from English to German: Elke Papp
Capital Cuba
2015
Österreich, Kuba
12 min