In, Over & Out
Sebastian Brameshuber erweist mit In, Over & Out einem der emblematischen, selbstbezüglichen Momente des Kinos Referenz: Ähnlich wie bei den Brüdern Lumière, deren 1895 entstandener Fünfzigsekünder La Sortie de l´Usine Lumière à Lyon (von dem es mehrere Versionen gibt) werkeigene Arbeiter_innen beim Verlassen der fotografischen Fabrik der Familie Lumière zur Mittagspause zeigt, zeichnet auch Brameshubers Zehnminüter eine Belegschaft beim Verlassen ihres Betriebs auf – hier sind es Studierende der französischen Kunstschule und Filmproduktionsstätte Le Fresnoy, an der auch Brameshuber Zeit verbrachte. Als Studienauslandsaufenthalt verbrachte Zeit gilt es in Zeiten des selbstoptimierenden, prekär lebenden und arbeitenden Kognitariats, das immaterielle Arbeit hervorbringt (und das selbst durch Le Fresnoy und ähnliche Ausbildungsstätten hervorgebracht wird), optimal zu nutzen.
Die sanfte Ironie, die Brameshubers Film innewohnt, liegt an den formalen Parametern: Die Kommiliton_innen werden gleichzeitig von zwölf Kameras beim Verlassen des Personaleingangs aufgenommen, als ob dieses banale Ereignis die Signifikanz einer von einem Dutzend Media Outlets verfolgten Sensation hätte, allerdings sind fast alle Film- und Videoaufnahmegeräte in dieser strengen Versuchsanordnung obsolete Formate, womit die Ressourcen der Kunstschule als optimal genutzt angesehen werden könnten.
Das Ergebnis dieses aus einer Reihe leicht verschobener Positionen zusammengestückelten "Livestreams" lässt gleichermaßen an tricktechnisch elaborierte Tableaux vivants aus der Frühzeit der Kinematographie denken, wie an magnetresonanztomographische Schnittbilder der Gegenwart oder dem rasenden Stillstand der im effekthascherischen Actionkino der letzten eineinhalb Dekaden so beliebten Bullet Time. Zeitlos ist allein die filmischen Geste Brameshubers und der Brüder Lumière, einer Ansicht der Ansicht willen Gewicht zu verleihen.
(Georg Wasner)
In, Over & Out
2015
Österreich, Frankreich
10 min