Paradies! Paradies!
Wien, Österreich. Eine Arztpraxis, zwei junge Männer als Patienten, der Arzt stellt die Tochter Kurdwin vor, die eine Reportage vorhabe über ihn und Kurdistan. So beginnt ein vielschichtiges soft-Melodram mit homevideo-Momenten: eine Familie und deren transnationale (Gefühls-)Ökonomien in Interaktion mit machtvollen kriegerischen Konflikten. Nächtliches Packen eines blauen Hartschalenkoffers. Im Schlafzimmer murmelt eine Gestalt unter der Bettdecke: "Wie lange sind wir schon verheiratet?"
Das fast leere Flugzeug landet mit filmender Tochter und strahlendem Vater in Erbil, Hauptstadt des kurdischen Autonomiegebietes im Nordirak. Eine Stadt, die in den letzten Jahren einen Immobilienboom sondergleichen erlebt und gelegentlich mit Dubai verglichen wird. Vater Omar, der mit Familie seit 1991 in Österreich lebt, plant eine Wohnung in Kurdistan zu erwerben, sei es als Wochenendsitz, als Investition, sei es als Alterssitz. Dies ist in der Familie weder unumstritten noch ist es wirklich erfolgreich. Die Regisseurin filmt als kritische und gelegentlich ironische Zeugin des fragilen Vorhabens mit präzisem Blick für Investitionslandschaften und Interieurs, wie für Geschlechter- und Familien-Konstellationen. Oft greift der Vater ein und inszeniert sich als gefühlvoller und stolzer kurdischer Patriot, voller abgründigem Zweckoptimismus. Die Kinder der Gastgeberfamilie – Tante, Onkel, Cousins und Cousinen, spielen mit der Regisseurin im plüschigen Heim Musikvideos nach oder wildes IS-Freitanzen. Familienspannungen eskalieren. Je deutlicher es wird, dass der Wohnungskauf seine Tücken hat, desto mehr zeigt sich wie nah und zwingend die militärischen Konflikte sind. Nun fotografiert Omar die Granaten-Einschüsse, rüstet mit neuem Elan sich und eine kleine Einheit von Peschmerga-Soldaten mit Uniformen aus, und dann besichtigen Vater und Tochter die nahe IS-Front. Wieder zuhause in Wien spielt Omar auf dem Rechner das Lied vom Auswandern der Geliebten und singt mit.
(Madeleine Bernstorff)
Diagonale – Preis Beste Bildgestaltung Dokumentarfilm 2015/16
Die Begründung der Jury:
„Der Preis für die beste Bildgestaltung geht an eine eigentliche One-Woman-Show: Für ihr Debüt, hat die Filmemacherin hinter der Kamera auch Regie geführt, als sie mit ihrem Vater von Wien nach Kurdistan gereist ist. Mit großer Beobachtungsgabe und dem Talent, am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein, fängt sie immer wieder intime Schlüsselmomente ein und beweist dabei auch den Mut, sich selbst preiszugeben. Ein packendes, tragikomisches Homemovie über den Sog des Heimwehs.“
Kurdwin Ayub über ihre tragikomische Doku „Paradies! Paradies!“, von Stefanie Schermann, The GAP (Interview)
Nach Erbil im Norden des Iraks zieht es Kurdwin Ayubs Vater Omar, der sich eine Wohnung in seiner Heimat kaufen möchte – einer Heimat, die er und seine Familie vor rund 25 Jahren verlassen mussten. Kurdwins Film, der ihren Papa auf seiner skurrilen Immobiliensuche begleitet, ist eine Hommage an ein vom Krieg gebeuteltes Land, das für Omar dennoch ein Paradies ist. „Paradies! Paradies!“ ist eine tragikomische Doku geworden, ein Selbst- und Generationenporträt und in jedem Fall ein Film, an den man sich erinnert. Wir trafen die Regisseurin zum Gespräch.
Warst du beim Filmen wirklich ganz allein, nur mit der Handkamera?
Ja. Das Gute daran ist: Wenn Leute mich mit der Kamera sehen, überhaupt dort, dann nehmen sie mich nicht ernst. Dann glauben sie, ich bin so ein Mädchen, das von seinen Eltern eine teure Kamera zum Geburtstag bekommen hat und sich noch seine Träume erfüllen kann, bevor es heiratet. Wirklich! Der Vorteil war also, dass die Leute vor der Kamera so viel Blödsinn gemacht haben, den ich einfach filmen konnte, weil sie mich nicht ernst genommen haben. Deswegen hab ich´s gut gefunden, alleine zu sein. Wir haben auch, nachdem wir eine Förderung bekommen haben, weiterhin gesagt, dass ich alleine bleibe.
Als du am Anfang des Films aus dem Inneren des Flugzeuges filmst, sind du und dein Vater fast allein. War das seltsam für dich?
Ein interessantes Detail zum Fliegen: Ich habe Flugangst. Jedes Mal, wenn ich fliege, nehme ich Beruhigungsmittel. Für das erste Bild musste ich den Flughafen filmen, und weil ich immer so dicht war, war das Bild so schief und schrecklich, dass ich bei der nächsten Reise wieder den Flughafen für das Einstiegsbild in Kurdistan filmen musste. Es war, glaube ich, gerade eine kritischere Phase im Militär. Als ich beim Flughafen-Filmen eine Militärmaschine gesehen habe, habe ich sie halt auch gefilmt. Da kamen dann plötzlich 20 Soldaten und wollten mir die Kamera wegnehmen und das Material löschen. Ich war noch immer so wie eine Betrunkene, und konnte mich gar nicht richtig wehren. (lacht)
Einmal hab ich Munition als Erinnerung von der Front mitgenommen und vergessen, dass die im Koffer war. Am Flughafen hat´s Alarm geschlagen und sie haben in meinen Pyjamas diese riesengroße Patrone gefunden.
Warum sieht man im Film so wenige Frauen?
Es hat sich gezeigt, dass Frauen sich nicht gern filmen lassen. Andererseits, wenn sie dann eine Kamera sehen, sagen sie sofort, was sie wollen, weil sie dort sonst wenige Rechte haben.
Es ist die dortige Mentalität. Zum Beispiel, wenn du dort als Politikerin aufgestellt wirst, gibt es keine Plakate von der Politikerin, sondern vom Mann der Politikerin. Weil die Plakate der Frauen verunstaltet würden und so Sachen. Es ist alles noch nicht so weit dort – aber es wird schon.
Es gibt eine Szene im Auto, bei der du einen Toten filmst. Euer Fahrer sagt, du sollst das nicht tun. Ist das verboten?
Es ist so ein komisches Ding zwischen dem, was man darf, was man sollte und was man nicht sollte. Ich hab´s trotzdem gemacht. Als Frau darf man auch eigentlich nicht an die Front gehen. Ich musste es dann trotzdem machen, weil ich dachte: Es wird sicher arges Material.
Manchmal bekommt man erst nach einer gewissen Zeit richtig mit, was alles passiert ist. Wie ich beim Colour Grading danach gesehen hab, wie der Tote da gelegen ist, hab ich anscheinend trotzdem so eine Kälte gehabt, zu sagen: „Mach das Blut noch roter.“ Und danach bin ich aufs Klo heulen gegangen.
Wie hast du denn die Möglichkeit bekommen, an die Front zu fahren?
Um ehrlich zu sein, sollte es im Film so rüberkommen, als hätten wir zufällig Soldaten in einem Army-Shop getroffen. In Wirklichkeit war das schon alles geplant. Ich war dort auf einer Reise und habe gehört, dass ein Mann mal Uniformen für Soldaten gekauft hat. Da hab ich gesagt: „Omar, du machst das jetzt auch.“ (lacht)
Ich habe ein paar Tage versucht, das zu organisieren. Wir haben eine Front gefunden, wo wir hingehen konnten, und alles war vorbereitet. Lustigerweise waren wir dann wirklich in einem Army-Shop, um diese Uniformen zu kaufen, und mein Vater hat dann wirklich irgendwelche Soldaten getroffen. Wir haben dann den ganzen Plan verworfen und sind mit denen mitgefahren, weil die lustiger waren. Wir kannten die also gar nicht vorher.
Hattest du Angst beim Filmen an der Front?
Man ist voller Adrenalin, man will hingehen – man hat keine Angst, eigentlich. Unterbewusst merkt man schon, dass man in Gefahr ist: Ich habe dann im Auto angefangen, die ganzen Nachrichten von meinem Exfreund zu lesen, so: „Okay, jetzt hab ich das alles zur Erinnerung.“
Es war sicher ein mulmiges Gefühl, aber die Aufregung war stärker. Außerdem hat man noch ein anderes Gefühl: Ich war dann ganz mitgerissen von den Soldaten und Leuten, die die Kurden unterstützen. Dann hat man nicht das Gefühl, dass man weglaufen will, sondern eher, dass man bei ihnen sein will. Man entwickelt dann auch einen gewissen Stolz, was sehr schräg ist. Die Leute, die wie wir geflüchtet sind, wurden insgeheim verurteilt. Leute die fliehen, werden nicht als so cool angesehen, weil alle so stolz sind auf ihre Peschmerga.
Gab es andere Situationen, bei denen du ein mulmiges Gefühl hattest?
Einmal hatte ich wirklich Angst. Ich wollte eine Anschlagsstelle filmen, die zwei Tage danach noch stärker bewacht war. Wir wollten mit dem Auto vorbeifahren und filmen, wie Omar, mein Vater, reagiert. Ich hatte so Angst, dass die glauben, ich hab irgendwie so eine Sniper-Waffe im Auto, weil das rote Licht vorne bei der Kamera war! Ich hab so lange versucht, das rote Licht abzudecken … Da wusste ich noch nicht, wie man das abdreht. Im Nachhinein: sehr lustig.
Oder: Wir waren in unserem Hotel und jemand bietet Omar unten in der Lobby an, dass er uns mit dem Auto mitnehmen kann. Mein Vater und ich steigen in sein Auto und ich lege die Kameratasche hinten in den Kofferraum, wo sich ein Riesen-Sniper mit urviel Munition befindet. Dann sagt mein Vater: „Ja, er ist Auftragsmörder.“
Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Film mit deinem Vater in der Hauptrolle zu machen?
Alles war sehr kompliziert, weil mich anfangs ein anderes Thema interessiert hat. Ich war auf der amerikanischen Uni im Irak und hab dort Leute gefilmt. Das habe ich dann meinem Produzenten hier gezeigt. Und zwischendurch war dann immer mein Vater, der irgendwie Blödsinn gemacht hat oder Visionen hatte und dann haben wir uns alle gedacht: Eigentlich eh urlustig, was ist, wenn wir da einfach hängenbleiben? Dann hab ich ihn weitergefilmt.
Hast du noch Kontakt zu den Soldaten, mit denen ihr mitgefahren seid?
Weißt du noch, der, der Deutsch gesprochen hat? Der ist im Krieg gestorben. Und noch einer, glaube ich. Von den anderen weiß ich´s nicht.
Es war arg, wie ich es erfahren habe. Ich war bei einer Preisverleihung in Sevilla, weil ich einen Preis für den besten Dokumentarfilm gewonnen habe. Vor der Preisverleihung hab ich dann die Nachricht bekommen.
Ich hab den Film nicht gesehen, nachdem das passiert ist. Ich weiß nicht, wie das bei der Premiere sein wird, wenn ich die Soldaten wieder sehe. Jede Emotion, die ich drei Jahre lang hatte, während der Arbeiten am Film, kommt beim Anschauen hoch. Also wird das wahrscheinlich auch hochkommen.
Deine Filme werden öffentlich gezeigt, und enthalten sehr persönliche Elemente. Stört das deine Familie?
Eigentlich nicht. Meinen Vater gar nicht. Meine Mutter anfangs ein bisschen, aber dann war sie eh stolz. Sie lädt sogar ihre Arbeitskollegen zur Premiere ein. Mein Vater findet das urcool, er sieht sich als Schauspieler und findet das toll.
Meine Verwandten glauben auch nicht daran, dass viele Leute ins Kino kommen. Ich hab meine Tante beim Rauchen gefilmt, und dann hat sie gleich in die Kamera gesagt: „Weißt, du kannst das überall zeigen, aber nicht im Irak.“ Ich glaube, das ist ihnen wichtig.
Alle Frauen rauchen heimlich, in der Familie und so. Würden sie das öffentlich tun, würden alle über sie reden.
Gab es auch lustige Situationen beim Filmen?
Ich finde es interessant, dass der Film so lustig geworden ist, obwohl alles eigentlich so traurig war. Einfach Dinge, die dort passiert sind: Familienstreitigkeiten, mein Cousin, der offensichtlich schwul ist und deshalb dort Probleme hat. Mein Vater, der irgendwie allein ist. Er hat niemanden mehr, hier und dort.
Mit Soldaten gab´s auch Erlebnisse: Die wollten, dass wir bei ihnen essen. Ich wollte unbedingt mit ihnen essen, weil dort normalerweise die Frauen kochen und das waren Jungs, die für uns gekocht haben. Aber wir mussten gehen, weil es schon dunkel wurde, und in der Dunkelheit irgendwo im Krieg … Wir mussten schnell weg. Aber die Jungs haben mir so leid getan. Die waren jünger als ich, so 20, und sie durften nichts anderes außer kämpfen, weil sie ihr Zuhause verteidigen müssen.
Merkt man eigentlich im Alltag, dass Krieg ist?
Ich wohne eine Stunde von Mosul entfernt, und Mosul ist grade das „Zentrum“ des Krieges. Die Soldaten von der Front kommen alle nach Dohuk, um irgendwie Pause zu machen. Da sitzen die dann einfach auf der Straße rum oder gehen einkaufen, haben Kurzurlaub. Sie haben ihre Waffen mit, es gibt keine Regeln dort.
Und viel Propaganda im Fernsehen. Viele Musikvideos über Soldaten. Alles sehr militärisch.
Einmal war ich im Basar, da hat man eine Bombe gehört. Alle sind aus den Geschäften rausgegangen, haben geschaut, ob es in der Nähe war, und dann sind sie wieder reingegangen. Und einmal, eben als wir auf dem Weg zu den Soldaten waren, sind wir mit denen dann irgendwo zum Teetrinken gesessen. Da haben wir auch eine Bombe gehört. Der Boden hat so gewackelt, da hab ich mich kurz erschrocken. Aber die anderen sitzen dann nur so da und sagen: „Das waren die Amerikaner, sehr gut, die haben jetzt wen erwischt.“ Aber man muss sagen, es gibt viel gefährlichere Gegenden.
Im Film zeigst du auch kurz Frauen, die sich selbst schlagen. Wie entscheidest du, was du filmst und was nicht?
Ich habe versucht, das zu filmen, weil ich glaube, dass es interessant ist, wenn man als Außenstehender sieht, wie die Leute so ticken. Die Frauen haben sich selbst geschlagen, sie wollten den Schmerz.
Ein Junge hatte einfach einen Autounfall gehabt. Die Frauen waren einfach Verwandte. Es gibt viele Verwandte, immer. Viele große Familien. Viele Kinder, viele Tanten. Viele Onkel, die dominant sind und bestimmen wollen, wie das Leben laufen soll.
Haben sich deine Verwandten auch in deine Erziehung eingemischt?
Mein Onkel Fahrid, der im Film auch öfters vorkommt, der ist schon so. Manchmal setzt er sich zu mir hin und übernimmt diese traditionelle Vaterrolle, die mein Vater nicht macht. Das ist interessant, weil mein Vater früher ein richtig strenger orientalischer Vater war – ich habe nichts machen dürfen, bis ich ausgezogen bin. Ich hatte schon Probleme damals: In der Schule war ich eher unbewusst das Ausländermädchen. Es hat sich zum Beispiel nie jemand verliebt in mich. Irgendwann hat mir ein Freund gesagt, dass ich ihm leid tue, weil ich sicher nie einen Ehemann finden werde. Es war Simmering, es war ein bisserl proletenhaft dort. Aber ich hatte eh Freundinnen, es war eh alles lustig.
Obwohl ich eben ein bisschen anders war, weil ich von Zuhause aus manche Sachen nicht machen durfte. Ich war nicht das Mädchen, das fortgeht oder Dates hat. Oder Knutschen beim Flaschendrehen, das war nicht drin. Ich habe das dann ziemlich radikal nachgeholt. (lacht)
Kannst du vom Filmemachen leben?
Es gibt Phasen, wo man davon leben kann, und Phasen, wo man nicht davon leben kann. Man muss hoffen, dass man einen Preis gewinnt. Das war halt Gott sei Dank letztens so. Sonst geht man so lang ins Minus, wie es geht. Oder ich gehe zu meinem Vater, damit er mir meine Schulden zahlt. Und dann hofft man darauf, dass in zwei, drei Monaten wieder eine Förderung oder so kommt.
Was ist deine Inspiration?
Meine Inspiration kommt meistens aus Beziehungen zwischen Menschen – ich glaube, das ist das Wichtigste. Oder aus einer Erfahrung von einer Beziehung, die ich zu einem Freund hatte, zu einem Liebhaber, zu meinem Vater, zu meiner Mutter. Und daraus kommen dann immer so lustige Erinnerungen – ich sage immer lustig, dabei meine ich eigentlich tragikomisch. Also so dieses Zwischending. Und dann denk ich, dass ich da was daraus machen kann.
(Stefanie Schermann, the GAP)
"Paradise! Paradise!" ("Paradies! Paradies"): Graz Review, by Neil Young, Hollywood Reporter, 28.03.2016 (Artikel)
A home-movie travelogue that pulls off a tricky balancing act between the personal and political, Kurdwin Ayub´s Paradise! Paradise! (Paradies! Paradies!) provides invaluably topical snapshots of everyday life in today´s Kurdistan. Seldom far from international headlines, the much-contested territory straddling Turkey and Iraq is currently best known for its army´s heroic battles against the so-called Islamic State.
As a fresh and lively glimpse into the area provided by a young female filmmaker of middle-eastern origins — Ayub was born in Kurdistan in 1990 but immigrated to Vienna as a baby — the picture is guaranteed plentiful festival play over the coming months and could easily snag distribution slots in receptive territories. Premiering at Austria´s national film festival in Graz, it will bow internationally at Argentina´s BAFICI (Buenos Aires) in April and should provide Ayub with breakout status as a documentarist to watch.
So far her name has mainly been known in circles devoted to relatively experimental fare — Ayub has been a prolific maker of shorts since her teenage years and 10 of her works are currently promoted by Vienna´s esteemed distribution label sixpackfilm. These included the 22-minute Family Holiday — recording her visit to relatives back in Kurdistan.
Paradise! Paradise! is an extended variation on the same theme — this time she accompanies her father Omar, a successful doctor glimpsed in his Vienna clinic at the start of the film, to the Kurdish city of Erbil, where they stay with Omar´s brother and his family. Omar dreams of buying property in the area, and Kurdwin joins him checking out various apartments in various states of completion, and in neighborhoods of varying types.
The title comes from Omar´s exclamation upon visiting an especially fancy mini-village, but it obviously has wider applications. For the ebullient Omar, Kurdistan is a kind of heaven on earth — "no other place compares, either for food or drink," he enthuses. But there are clouds on the horizon, specifically rumbles of battle from the nearby frontlines, where Kurdish forces battle ISIS opponents.
Patriotic Omar seizes the chance to witness the hostilities first hand, posing in military duds and showing off assault weaponry for the benefit of his daughter´s camera and the folks back home. "Kurdwin, make an effort to film this well," he urges as they are taken to the very edge of the battle zone — a third-act development that adds a note of genuine tension to what has been up to this point a disarmingly breezy, often humorous enterprise.
Ayub´s technique is to acknowledge her own presence and praxis at every stage, seemingly reluctant to ever turn off her camera, even when filming may risk sparking trouble by contravening local rules of etiquette. Her shorts often dealt directly and boldly with matters of sexual identity, and the situation of females in Kurdistan — in contrast to the liberal ways of Austria — is one of numerous hot-button subjects the film touches on in a light but informative and illuminating manner.
The simple fact that Ayub is a youthful, educated, independent-minded female artist going about her work — something unthinkable a few miles away in the ISIS-controlled zone — is itself a statement, of course. Paradise! Paradise!, while deliberately rough-edged and unvarnished, functions smoothly as an eloquent representation of a sparky and irrepressible world view. Her dad´s larger-than-life persona may steal the show here, but it´s Ayub´s directorial and authorial voice that is the real takeaway. We´ll undoubtedly be hearing a lot more from her soon.
(Neil Young, Hollywood Reporter, 28.03.2016)
Ein Hoch auf die Handkamera, von Maria Motter, fm4, 12.03.2016 (Artikel)
Eine Reise nach Kurdistan. Ein Sonnenaufgang zuviel. Und die Drehbuchpreise sind vergeben! Die Diagonale in Graz läuft noch bis Sonntagabend.
"Die schießen dir nicht in den Kopf?" - "Nein, die schießen dir ins Gehirn".
Kurdwin Ayub unterhält sich mit einem jugendlichen Cousin über den sogenannten Islamischen Staat. Sie sitzen in einer Wohnung in Erbil in Kurdistan. Kurdistan sei ein "nicht genau begrenztes Gebiet in Vorderasien" hat jemand auf die Wikipedia-Seite geschrieben. Nach Kurdwin Ayubs Dokulangfilm-Debüt "Paradies! Paradies!" beginnt man sich für Kurdistan zu interessieren.
Dabei beginnt "Paradies! Paradies!" für Unwissende so harmlos und leicht. Wie in einigen ihrer Kurzfilme tritt Kurdwin Ayub vor die Kamera. Sie präsentiert Blusen und "gute Jäckchen", zu denen sie unterwegs Jeans tragen wird müssen. Leider sind die meisten ihrer Blusen durchsichtig. An den Schmäh der 26jährigen Filmemacherin und Performance-Künstlerin Ayub Kurdwin kommt so schnell keiner heran, denkt man, aber dann tritt ihr Vater ins Bild.
Die Kurdwins reisen in das Land, aus dem sie 1991 geflohen sind, aber von "Irak" spricht niemand. Kurdistan ist das Land der Sehnsucht geworden. Also sucht der Vater seinen Pass und begibt sich mit der Tochter auf die Reise. Die Mission ihres Aufbruchs: Wohnungssuche in Arbil.
"Wenn mein Vater und ich vor der Kamera sind, inszenieren wir uns gerne. Auch gern lustig", erklärt Kurdwin nach der Premiere. Vor dem Filmstart forderte sie das Publikum auf, sich lachen zu trauen. Im Kinderzimmer bei den Verwandten in Arbil machen Buben und Mädchen "Disco". Entzückend und lustig sind die Szenen. Die Zerrissenheit der Familien zwischen hier und Ländern des Exils, das für manche Mitglieder schon lange Heimat ist, ist Thema ohne großes Aufheben. Plötzlich und unvorhergesehen probiert der Vater Tarnjacken an und ist umringt von Peshmerga. Mit Blick auf das Land kommt schließlich ein Wassertank in Sichtweite, dort sei der sogenannte IS stationiert. Jene Menschen also, die einem nicht ins Gesicht, sondern ins Gehirn schießen.
"Paradies! Paradies" ist der bislang lustigste Film dieser Diagonale, bis einem die Tragik der Komik klar wird. Dann ist es ein ziemlich super Film, der noch mehr Fragen aufwirft und nebenbei ein kluges Statement zum Informationsgehalt von Bildern setzt. Kurdwin Ayub hat die Doku mit Handkamera selbst gefilmt. Manche Regieanweisung kam vom Papa.
(Maria Motter, fm4, 12.03.2016)
Kurdwin fährt heim, von Matthias Greuling, Wiener Zeitung, 01.03.2017 (Artikel)
Und dann geht eine 24-jährige Wiener Kurdin auf eine Entdeckungsreise, die sie einerseits zu den Überresten explodierter Minen führt, andererseits in die voll möblierten Luxus-Apartments in den irakischen Ballungsräumen, in denen eine riesige, mit Mahagoni-Intarsien ausgestattete Wohnung mit Luxus-Möblierung gerade einmal 148.000 Dollar kostet. Wer im Wiener Umland dergleichen sucht, zahlt etwa das Vierfache. Aber dafür gab es hier auch keinen Krieg.
Der Wien-Vergleich ist in diesem Fall erlaubt: Denn Kurdwin Ayub, eine lebenslustige junge Frau, ist hier zuhause, weil ihr Vater Omar sie 1990 als Einjährige mitbrachte, als er seine Heimat verließ, um in Wien als Arzt zu arbeiten. Jetzt stürzt sich Kurdwin mitten in eine männerdominierte Welt und begleitet ihren Vater Omar in die Heimat. Er ist Kurde, und das ist im Irak schon grundsätzlich eine Erschwernis, aber er trägt dort stolz und jederzeit die kurdische Flagge am Revers.
"Brauchst keine Angst haben"
Die fast ausschließlich hinter der Kamera agierende und stets filmende Kurdwin und ihr Vater landen in Erbil, Hauptstadt des kurdischen Autonomiegebietes im Nordirak. "Angst gibt es nicht, Angst brauchst du keine haben, Kurdwin", beschwichtigt Omar, auch dann, als beide einen Abstecher an die Front machen. Fronten gibt es im Irak zuhauf, auch ohne expliziten Krieg. Die junge Frau dringt mit ihrer Kamera in der Hand und im Geländeauto mit den schwer bewaffneten Kriegern bis an die Frontlinie der Peschmerga vor, "und da hinten, da sind die IS-Kämpfer". Angst hat sie schon. Aber sie ist nicht Thema ihres Films "Paradies! Paradies!".
Zwischen dem Immobilienboom in Erbil und der Front existiert hier die ganze Palette eines regulären Alltags, den Kurdwin Ayub ebenso beiläufig wie bewusst einfängt, und gerade darin liegt eine der Stärken ihrer sehr persönlichen Doku: Sie nimmt die Scheu vor der Auseinandersetzung mit dem scheinbar Fremden, mit einer uns unbekannten Welt, und zwischen der Identitätssuche der jungen Protagonistin und Regisseurin blitzt immer auch ein ganz spezieller Humor durch, eine Mischung vielleicht aus Wiener Schmäh und kurdischer Mentalität.
Kurdwin Ayub arbeitet mit den Klischees, die über ihre Heimat existieren, und entkräftet sie launig: Wir entdecken durch die Augen dieser jungen Frau hier eine Welt, die zwar anders ist, aber so anders nun auch wieder nicht. Cousin und Co. hören auf Youtube den Song "Du hast den schönsten Arsch der Welt", eine deutsche Single von 2007. Wir erfahren auch, dass im Irak Kleidungsstücke in Fabriken genäht werden, in denen auf dem Label "Made in Turkey" steht, denn "Made in Iraq", das würde sich beim besten Willen nicht verkaufen lassen.
Omar will in Erbil eine Wohnung kaufen, als Alterssitz. "Aber wieso, wenn wir doch in Wien leben?", fragt Tochter Kurdwin. Die Frage bringt ihren kleinen, intimen Film auf den Punkt. Für Omar ist der Irak "das Paradies", für Kurdwin ist Wien die Heimat. Eine junge Frau, die deshalb aber nicht hin- und hergerissen wirkt; stattdessen erhellt sie uns mit Bildern aus zwei Welten, die man so sonst nicht zu sehen bekommt.
(Matthias Greuling, Wiener Zeitung, 01.03.2017)
"Paradies! Paradies!": Vater und Tochter auf Tourismus-Trip an die IS-Front , von Alexandra Seibel, Kurier, 02.03.2017 (Artikel)
1990 als Kurdin im Irak geboren, floh Ayub kurz darauf mit ihrer Familie nach Österreich und wuchs zwischen Handy und Popkultur auf. Als nunmehr erwachsene, junge Frau begleitet sie ihren Vater Omar auf eine Reise in die Heimat, wo dieser euphorisch nach den Wurzeln seines glorifizierten Kurdistan sucht. Alles hier sei besser, sogar das Wetter. "Aber es regnet doch", wirft die Tochter ein, die die Begeisterung für das "Paradies" nicht teilen kann. Ein Tourismus-Trip in militärische Kampfgebiete der IS stellt den bizarren Höhepunkt einer Familienreise dar, in der sich die Generationen mit ihren Fantasien von Heimat aneinander reiben.
Paradies! Paradies!
2016
Österreich
78 min
Dokumentarfilm
Deutsch, Kurdisch
Englisch, Deutsch