Sevince
Man sieht Schatten, flirrende Lichtpunkte, Schemen, etwas Grün, etwas Gelb, etwas Blau, aber eigentlich sieht man fast nichts. Wie es ist, die Umwelt durch das Sichtgitter einer Burka aus dem Fenster eines fahrenden Zuges heraus wahrzunehmen, davon vermittelt die erste Szene von Sevince/ Wenn man liebt einen Eindruck, aber nur einen flüchtigen. Bald sieht man die Trägerin selbst in dem schwarzen Gewand, das sie durch Handschuhe komplettiert hat. Erst nachdem sie die Wohnungstür aufgeschlossen hat, wirft sie den Schleier ab, und darunter zum Vorschein kommen ein überraschend ungebändigter Haarschopf, ein luftiges Sommerkleid und ein rot geschminkter Mund. All das verschwindet zugunsten lockerer, unauffälliger Hauskleidung. Während sie sich umzieht, ihr Kind beschäftigt und mit dem Kochen beginnt, lächelt Peri in sich hinein. Doch als ihr durchaus nicht unfreundlicher Mann nach Hause kommt, wird sie ernst. Die junge Frau, so ahnt man, hat ein Geheimnis.
Dass der Schleier viel mehr verbergen kann als Haare, Körper und Gesicht seiner Trägerin, dass er vielleicht sogar Möglichkeiten eröffnen kann, die seinem eigentlichen Zweck ganz und gar entgegengesetzt sind, davon erzählt Sevince. Es ist ein Film über Identität und Konformität, eigene und fremde Erwartungen an die Gender-Rolle, Moral, Sünde und das Bedürfnis nach Freiheit, das in Peris Fall beidem entgegensteht. Süheyla Schwenks dialogarmer Film ist beinahe ein Kammerspiel; die begrenzten Sets passen zum begrenzten Handlungsspielraum der Protagonistin, der sich, wer weiß, vielleicht schon bald erweitern wird. (Daniela Sannwald)
Sevince
2016
Deutschland
30 min