Leninopad
Auch Statuen können sterben. Oder, wie Anna Jermolaewa in ihrem Film Leninopad zeigt, in einem vermeintlichen Akt der Befreiung von ihren öffentlichen Orten entsorgt werden. Was häufig eine Lücke schafft, die von vielerlei diffusen, oft nicht weniger verfänglichen ideologischen Motiven besetzbar ist.
Jermolaewa hat sich auf eine Reise durch die Ukraine begeben, um an höchst unterschiedlichen Schauplätzen den (immer schon stattgefundenen) Fall von heute inkriminierten Lenin-Statuen zu dokumentieren. Nach dem politischen Umbruch 2013 war es landesweit zu einem Sturm auf die Monumente gekommen, noch bevor im Frühjahr 2015 das sogenannte Dekommunisierungsgesetz derlei symbolischem Vergangenheitsmord den offiziellen Sanctus gab. Landauf, landab wurden Statuen vom Sockel gekippt, wurden Torsi entzweit, Köpfe abgetrennt und die Fragmente zu verscharren oder sonstwie zu verstecken versucht.
Jermolaewas Reportage sucht den Kontakt mit den Locals und fragt nach dem Hergang der Demontage. Das Muster, das so zutage tritt, ist meist das gleiche: Niemand von den interviewten Frauen, Bauern, Kindern will allzu viel gesehen haben, meist hätten die Demolierer ("Fremde" von "anderswo") ihr Werk flugs im Morgengrauen verrichtet; meist zeigt man sich auch irgendwie einverstanden mit dem Geschehenen, hat der alte Lenin (und mit ihm Stalin) doch das halbe Land auf dem Gewissen.
Ebenso aussagekräftig ist, was der Film im Anschluss an die Gespräche in statischen, durchaus auch gemahnenden Aufnahmen zeigt: leere Podeste, die zumeist mit neo-nationalistischen, folkloristischen oder kirchlichen Dekors überzogen sind. Oft ist auch einfach nur ein roh behauener Sockel übrig, eine Art ideologische Leere, die gleichwohl von einem weiterhin tobenden Grabenkampf zeugt.
Die Statue, in der man ein Gespenst der Vergangenheit sieht, mag beseitigt worden sein. Was aber noch lange nicht heißt, dass damit nun ausreichend Platz für Freiheit und Demokratie geschaffen wäre. (Christian Höller)
Leninopad
2017
Österreich
22 min