Phantom Ride Phantom
Von der "bloßen" Kamerafahrt zur Reise, durch geisterhafte Gefilde, hin zum veritablen Trip: Diesen Dreischritt vollzieht Phantom Ride Phantom mit kinematografischer Verve und großer handwerklicher Finesse. Dabei ist der Ausgangspunkt dieses Phantoms einer filmischen Geisterfahrt ein einzelnes Standbild, aufgenommen mit einer Halbformatkamera auf einem stillgelegten Bahngleis nahe Toulouse. Der in knalligem Rot und Grün überwucherte Schienenstrang, zentralperspektivisch ausgerichtet und anfangs sachte aus sich heraus pulsierend, bildet die Matrix einer fortwährend disruptiven Bildspaltung. Eingespeist in den dynamisch pochenden Strom sind Aufnahmen aus einem Zugfenster – eine in wechselnder Richtung vorbeiziehende Schneelandschaft, durchgehend geteilt durch einen markanten Spalt in der Mitte. Um diese zentrale Trennlinie herum wird, in Hommage an einen "Phantom-Ride"-Film von Ken Jacobs, ein wahrlich spektrales Bild-Gegenbild-Staccato entfacht. Links – rechts, Stand- und Bewegtbild, Fahrt- und Gegenrichtung, dazu gegenläufige Motive (Eisenbahn versus Waldnatur) – all diese Gegensätze arrangiert Phantom Ride Phantom in flirrendem Wechsel rund um den hier sichtbar gemachten Riss, der die filmische Wahrnehmung fortwährend in sich selber aufspaltet. Dabei wird diese leere Mitte in sekundenschneller Abfolge einmal von einem Baum, dann von einer der Schienen und schließlich, immer psychedelischer in den Film intervenierend, einem anziehenden Licht am Ende eines Tunnels überblendet. Eine Unterwelt der Bilder, die nicht zur Ruhe kommen will, beginnt die Wahrnehmung zu durchsetzen, bevor nach einer letzten metallischen Eruption und kurzer Flackerphase wieder das Ausgangsbild (zitternd) sichtbar wird. Phantom Ride Phantom durchmisst so in komprimierter Form über 100 Jahre Avantgardegeschichte und insinuiert, dass die Reise mitnichten zu Ende ist. (Christian Höller)
Wie in Vintage Print (2016) ist der point of departure eine Fotografie: Die Totale einer Landschaft, im perspektivischen Zentrum verschwindet ein verwildertes Bahngleis. Das Bildruckeln wie auch das Motiv evozieren Bewegung, stimulieren ein Bedürfnis nach Kinematografie, die der Film im Folgenden auf unterschiedlichen Ebenen vollzieht: Das Bild spaltet sich, bildet Kontraste zwischen Dynamik und Stillstand, Farbe und Schwarz-Weiß und übernimmt so das Gleitende als auch stakkatohaft Schnaufende einer Eisenbahnfahrt.
Von der Fotografie über den Film zurück zum Zug, der vor dem Kino Bewegung durch den Raum im Blick aus dem Fenster ermöglichte, vollführt Siegfried A. Fruhauf einen jener medienhistorischen Bögen, für die seine Arbeit als Ganzes steht – dabei aber selten so entspannt und psychedelisch wie in Phantom Ride Phantom. (Diagonale 2018, Michelle Koch)
Phantom Ride Phantom
2017
Österreich
10 min