Amnesia
Irgendwo auf einem entfernten Planeten eines sterbenden Universums lässt Filmemacherin Shadab Shayegan eine wächsern wirkende Figur einsam über die Vergangenheit reflektieren. Verstaut in einem altmodischen Schrank warten über die Jahre angesammelte Aufzeichnungen auf ihre Entzifferung. Ein - wie es scheint - hoffnungsloses Unterfangen: die seltsamen Zeichnungen entziehen sich jeglicher Deutung durch den Weltbewohner. Was bleibt ist eine Ahnung von etwas unwiederbringlich Verlorenem, das wie ein schwaches Echo - dem Sound des Urknalls gleich - unverständlich aus ferner Zeit tönt. - Immer mehr verhallend. Bald wird auch das Wissen um die letzte Zeile dieser zum dystopischen Weltraummärchen gewordenen Existenz im Nichts einer totalen Amnesie verschwunden sein.
Es war einmal ein Ort voll mit Sternen, die den Bewohnern als Nahrung dien(t)en, hört man die Gedanken des Wesens; der Weltraum ist mittlerweile leergefischt, verrückt vor Hunger seien sie gewesen. Der Bezug zu den umgebenden Dingen, letztendlich zum eigenen Sein gekappt. Was passiert mit unseren Ideen, wenn wir verschwinden? Woher kommen wir? Wer bin ich, eingebettet in die Welten, die uns umgeben? - es sind keine geringeren als die existenziellen Fragen des Lebens, die unausgesprochen, gerahmt von spärlich eingesetzten sphärischen Klängen, im Raum schweben. Einmal dreht sich der hagere Körper des Geschöpfes wie ein Fötus im „Mutterraum“ - die Verbindung zu diesem längst eingebüßt. Aus der nährenden Nabelschnur ist ein seidener Faden geworden.
Eine alte Weisheit im Bereich der Science Fiction besagt, dass die Erzählfäden, die hier gesponnen werden, nie von der Zukunft handeln, sondern stets unsere Gegenwart widerspiegeln. Ein Fernrohr steht dem Männchen zur Erkundung bereit – Mutter Erde scheint letztendlich näher als man denkt. (Sandra Schäfer)
Eine Latexfigur auf einem fernen Planeten im weiten Nichts des Alls. Ausgestattet mit einem Teleskop und einem Schrank voller nicht dechiffrierbarer Zeichnungen, hungrig, delirierend im eigenen Gedankenkosmos gefangen, führt sie einen erschöpften inneren Monolog über die Auslöschung der Sterne und das Versiegen von Nahrungsquellen, über die Vergangenheit, das Absterben von Ideen und Erinnerungen, das eigene Sein und den Tod.
Mit einer Mixtur aus skurriler Puppenanimation und minimalistischen Zeichnungen gestaltet Shadab Shayegan eine empathisch-schwermütige Reflexion über Einsamkeit, unwiederbringlichen Verlust und aufkeimende Manie: Amnesie als Metapher für die aussichtslose Suche nach Antworten auf die existenzphilosophischen Fragen des Lebens.
(Diagonale 2018, Michelle Koch)
Amnesia
2018
Österreich
10 min