Tokyo
Volle Konzentration, sich wegdrücken und nach zwei Flickflacks zum Stehen kommen. Erst auf einer Linie am Boden, später auf einem leicht erhöhten Übungsgerät. Der Trainer, der korrigiert und unterstützt, wendet sich nach geglückter Ausführung schon jemand anderem zu. Ein Hauch Enttäuschung ist seinem jugendlichen Schützling anzumerken. Aber wenn das Mädchen später beim Wettkampf mit Glitzersternen im Haar am Schwebebalken springt und abhebt, sich überschlägt und sicher landet, dann ist von Unsicherheiten nicht mehr viel zu merken.
Tokyo von Catrin Freundlinger begleitet die zwölfjährige Wiener Kunstturnerin Nicol Wimmer durch die Zeit zwischen zwei Wettbewerben: beim Training an unterschiedlichen Geräten, daheim und unterwegs. In der Interaktion mit Vereinskolleginnen, Trainer_innen und den Eltern. Während die Athletin mit Entschlossenheit und beachtlichem physischen Einsatz Übungsroutinen absolviert, bleibt die Kamera stets auf Augenhöhe. Ihrem feinen Sensorium entgehen die dazu gehörigen mimischen Regungen nicht: Schalk in den Augen, stille Freude, leichte Skepsis, großer Frust.
Der Fokus dieser auf eine Stunde Laufzeit verdichteten dokumentarischen Milieubeobachtung liegt auf den Trainingssituationen. Aber erst in den Aufnahmen abseits der Halle erschließt sich Gymnastik im Bewegungsdrang und als selbstverständlicher Bewegungsmodus: Nicol turnt am Sofa, packt im Halbspagat Trikots in den Koffer und schwingt auf dem elterlichen Balkon um ein improvisiertes Reck. Wenn man ihr dabei – und ebenso in der Halle am Profigerät – zusieht, hat man den Eindruck von Freiheitsmomenten jenseits eines sportlichen "Pflicht"-Programms. Man wünscht der Gymnastin, sie möge es mit diesem Überschwang in ihrer Disziplin noch weit bringen. Bis nach Tokio, 2020. (Isabella Reicher)
Tokyo
2018
Österreich
60 min