Ralfs Farben

Lanzarote. Ein experimentelles Porträt eines schizophrenen Mannes. Landschaft und Kino amalgamieren in diesem Film, sind Denk- und Empfindungsräume eines Innen und doch eben auch projizierte Bilder eines Außen. Ein Stillstehen in Bewegung, ein Verharren im Fortlaufen, ein Gemälde in der Zeit. Das Denken des Mannes im Zentrum des Films verläuft nicht entlang gerader Linien, sondern in Kreisen, Spiralen und Möbiusschleifen und bestimmt die filmische Struktur. (Lukas Marxt)


"Wir können nicht das selbe Licht verwenden, sondern völlig neue Schlüssel mit völlig neuem Licht und selbst diese sind bedingt auffindbar", sagt Ralf einmal. Die Sätze des schizophrenen Mannes begleiten einen guten Teil des experimentellen Porträts von Lukas Marxt, legen sich über die Bilder von Lanzarote, wo der Protagonist zurückgezogen lebt. Landschaft und Kino amalgamieren in diesem Film, sind Denk- und Empfindungsräume eines Innen und doch eben auch projizierte Bilder eines Außen. Das Denken des Mannes im Zentrum des Films verläuft nicht entlang gerader Linien, sondern in Kreisen, Spiralen und Möbiusschleifen und bestimmt die filmische Struktur in ihrer Gesamtheit: Man verliert sich in diesem Raum, in der Zeit, in den Distanzen, sucht vergeblich nach einem Standort im eigentlichen, physischen Sinne und findet ihn stattdessen (und als Ergebnis dieser Unsicherheit) in einer Haltung, einer gewissen Formation des Denkens, die – paradoxerweise – in dauerhafter Bewegung verweilt, in einer "Sukzession der sich wandelnden Zustände" (Deleuze).
Ein Stillstehen in Bewegung, ein Verharren im Fortlaufen, ein Gemälde in der Zeit, Rousseau und Tarkovsky, ein Gedanke, der sich im Prozess des Denkens vollzieht. Dokumentarfilm, Science-Fiction, Mindfuck? – Man kommt ins Strudeln im Versuch zu beschreiben, was man sieht und hört, weil die Realität vor der Kamera auch eine vollkommen erdachte Zukunft sein könnte, oder Bilder aus einer Zeit vor dem Kino. Sprache, Schrift, Bilder, Musik sind in diesem Film zugleich zurückgenommen und überbordend, entleert und zu voll, um Sinn im eigentlichen Sinn zu erzeugen. Somnambul und doch wacher denn je blicken wir auf die Welt, Ralfs Welt, in der "Kinder gebaut" und "Leben geschrieben" werden, eine "Halbphantasy" und ein "neues Leben", in denen das "Wetter neu gerechnet wird", wie im Kino. Kinematografischer Wahnsinn und präzises Porträt eines Menschen, tanzen im Wind von Lanzarote, in der Nacht, im stroboskopischen Flackern einer Straßenlaterne, in völlig neuem Licht. (Alejandro Bachmann)

Website RALFS FARBEN

Trailer
Weitere Texte

Viennale 2019 – Catalogue text

If that invaluable 1980s book "Incredibly Strange Films" is ever updated, RALF`S COLOURS deserves a prominent place in it. To provide even the usual, basic, preliminary information – like where and when it was filmed, who is in it, and so forth – seriously distorts the experience of discovering it innocently, for the first time. Because nothing here is clear or simple. We glimpse two men – one, mainly – in what appears to be a mostly deserted place. We hear a voice that we presume to belong to Ralf, although he also often refers to Ralf in the third person. We see a dog in both its living and dead states. The voice speaks to us of fantastic concepts: "planetwork", walls built between the dead and the living, technological inventions that already "half exist" because we can imagine them. At the same time, this voice makes a lot of political sense, as it rails against a State based on money and control. Meanwhile, the images veer from landscape studies into rolling digital collages that we can scarcely decipher. Cinema has given us many kinds of poetic documentary, but RALF`S COLOURS (made by Marxt in close collaboration with Michael Petri) offers something truly new and indescribable. (Adrian Martin)

Viennale 2019 – Katalogtext

Es ist nicht das geringste Verdienst der Arbeiten – Filme und Installationen – von Lukas Marxt, dass sie immer auch zugleich einen offenen Reflexionsraum bereithalten, bei aller ökologischen Dringlichkeit einem nicht die vermeintlich politisch wohlfeile Pistole vor die Brust setzen. Hier also: Sowohl eine formal souveräne, experimentelle Robinsonade in der zerklüfteten Vulkanlandschaft von Lanzarote, als auch, vielleicht noch vielmehr, die postapokalyptische Beschwörung einer von Menschenhand geschaffenen Schizo-Geografie, die ihre nicht weniger irritierende Entsprechung findet in den zerrütteten Satzkaskaden ihres Borderline-Protagonisten. (Stephan Settele)
Orig. Titel
Ralfs Farben
Jahr
2019
Länder
Österreich, Deutschland
Länge
74 min
Regie
Lukas Marxt
Kategorie
Experimental, Essay
Orig. Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch
Downloads
Credits
Regie
Lukas Marxt
Kamera
Lukas Marxt, Michael Petri
Schnitt
Michael Petri, Lukas Marxt
Sound Design
Marcus Zilz
Mischung
Marcus Zilz
Mit Unterstützung von
BKA - innovative film, Filmstiftung NRW, Atelier 105 Light Cone, CINE ART
Verfügbare Formate
Digital File (prores, h264)
DCP 2K flat
Bildformat
1:2,39
Tonformat
5.1 surround
Festivals (Auswahl)
2019
Montréal - Festival du Nouveau Cinéma (Prix des nouveaux alchimistes + Prix de l´expérimentation MUBI)
Locarno - Festival Int. de film
Wien - Viennale - Int. Filmfestwochen
Duisburg - Duisburger Filmwoche
Moscow Int. Experimental Film Festival
2020
Jihlava - IDFF East Silver Market
Lissabon - KINO Festival des deutschsprachigen Films
Moscow Int. Experimental Film Festival
Osnabrück - EMAF - European Media Art Festival
Graz - Diagonale, Festival des österreichischen Films
Hamburg - Dokumentarfilmwoche