THORAX
Klirren, Lichtbrechungen in diamantener Struktur. Ein Projektor? Leuchtröhren? Vielmehr eine "Menschmaschine", die der Filmemacher mit feiner chirurgischer Klinge seziert. So führt die als-ob-Kamerafahrt ins Innere eines blutleeren, post-humanoiden Körpers. In einen abstrakten Raum, der sich bisweilen eigenwillig zu konkretisieren scheint, um alsbald wieder in gleißende Schlieren und schließlich Flächen aufgelöst zu werden. Es ist ein filmisches Wurmloch, das ins Dahinter der Bilder führt, wo das träge menschliche Auge dem Trickspiel der Lichtanordnungen unterliegt, unterliegen muss.
Entgegen Siegfried A. Fruhaufs letzten Arbeiten verharrt THORAX dabei fast gänzlich im Abstrakten. Einmal mehr immanent ist dafür die Auseinandersetzung mit der Film- und Wahrnehmungsgeschichte: Analog zu Marcel Duchamps ANÉMIC CINEMA (1926), das der Arbeit als Impuls dient, bleibt in THORAX der Blick aufs Organische weitgehend verwehrt – es war einmal das Leben. Und doch scheint sich im stroboskopischen Flackern von THORAX eine Art immaterieller Torso zurück auf die Leinwandzu kämpfen. Tief drinnen schlägt gar das Herz jener Kinomaschine, die nicht überraschend an Cern´sche Tunnelgewölbe erinnert, in denen Lichtteilchen beschleunigt aufeinandertreffen, um die Strukturen von Raum und Zeit zu ergründen. Strukturen, denen auch Fruhauf in seinen Arbeiten seit jeher nachspürt – einer Welt ab- und jenseits von bloßem Abbild und Offensichtlichem.
Man soll nicht in die Sonne schauen, heißt es, um den visuellen kindlichen Entdeckungsdrang zugunsten anhaltend geschärfter Sehkraft zu bändigen. Wahlverwandt zu Fruhaufs frühem Film SUN (2003) befeuert THORAX dagegen die adoleszente Unvernunft und Neugierde: Irgendwann blicken wir, begleitet von bedrohlichen Soundclustern und subtil arrangierten Klangreizen, sehenden Auges ins gleißende Licht. Ein rasend betörendes Licht. Das Licht am Ende des Tunnels. (Sebastian Höglinger)
Ann Arbor Film Festival 2020 - jury statement (Preis (Auszeichnung))
THORAX explores the experience of being inside of electricity itself. Visually and aurally the work pulses with the essence of the electric as it hypnotically throbs and pings with life, a reminder that the body itself runs on a current.
Jury: Lisa Steele, Lynne Sachs, Osbert Parker
Viennale 2019 – Katalogtext
Neue Reize setzen ist der Praxis des Experimentalfilms immanent. Also scheint Fruhauf zur Exploration somatischer Grenzen in einen weitgehend abstrahierten Brustkorb einzudringen. Dort feuern und fehlzünden die Neuronen, kollidieren und stroboskopieren die Synapsen, wie um den menschlichen Wahrnehmungsapparat täuschend direkt mit dem maschinellen Kinokörper kurzzuschließen. Inspiriert von Duchamps ANEMIC CINEMA (1926) schafft Fruhauf eine fantastische, kosmische Reise ins Herz des Lichts – wer ankommt, verglüht. (Roman Scheiber)
Viennale 2019 – catalogue text
Fruhauf immerses us in an illusion of endless movement, changing colour, vibrant perception. But where are we going? Only semiscraps of representational objects can be faintly discerned amidst the flashing kaleidoscope of frames: a diamond, a bridge, a tower, an eye? The ambient soundscape suggests drilling and construction. But a more abstract, intermittent picture forms in our minds: the pulsating heart at the centre of a body; the cinema-engine itself housed inside an imaginary thorax. (Adrian Martin)
THORAX
2019
Österreich
8 min