Es ist genau genug Zeit
Dieser Film ist zugleich sehr traurig und verspielt. Er begibt sich auf eine Gratwanderung zwischen diesen Polen. Gerade das verleiht dem Film Tiefe. Nichts weniger als die Nähe von Glück und Verlust wird als Ahnung erfahrbar.
Der „Inhalt“ des Films verhandelt diese Gleichzeitigkeit von Abwesenheit und Präsenz.
Die Fakten: Oskar, ein 12-jähriger Bub, ist tödlich verunglückt. Oskar ist der Sohn des Regisseurs. Er hat ein Daumenkino-Fragment hinterlassen. Sein Vater nimmt diese Arbeit wieder auf und beendet sie. Das ist gleich im Vorspann zu lesen. Alle Filmbilder sind von dieser erschütternden Nachricht geprägt. Der Film beginnt und endet mit einer Realfilm-Subjektiven, dem Blick auf ein Zeichenbord, auf ein leeres Blatt, auf Radiergummi und Stift. Wessen Blick? Ein subtiler Hinweis auf den ersten Zeichner? Sein Blick auf die Arbeitsfläche? Es gibt im Laufe des Films viele solcher Spuren.
Der Zeichentrickfilm erzählt das bewegte Auf und Ab eines Kampfes zwischen zwei Figuren (Rot und Blau). Links unten am Blattrand laufen die Seitenzahlen wie ein Zeitticker. Bei Seite 206 wechselt der Film wieder zu einer Realfilm-Passage. Eine Hand legt eine neue Seite ein, der zweite Zeichner übernimmt. Der Zeichenstil verändert sich. Die Seitenzahlen gehen erst aufsteigend weiter, aber dann rückwärts bis zur dramatisch aufgeladenen Null. Hatte Rot genau genug Zeit sich zu retten?
Die Realität gibt erbarmungslos die Antwort. Abschließend wieder der Arbeitsplatz, jetzt mit zwei Stiften, denen von Vater und Sohn. Auf dem roten ist der Namenszug ‚Oskar‘ zu lesen. Eine Zusammenarbeit von Vater und Sohn.
Wie unendlich schwer muss diese Trauerarbeit gewesen sein.
(Birgit Flos)
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Es ist genau genug Zeit
2021
Österreich
2 min
Animation
Deutsch
Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch