The Gallery
Am Anfang Großaufnahmen, sie sind verschwommen. Augen, Münder, Nasen, Hände kommen ins Bild. Verstreut, fast wie ein Puzzle. Auch der Ton ist reduziert und gibt keinen Aufschluss darüber, was wir eigentlich sehen, wir hören Papier, Glas. Wir tappen im Dunkeln, es ist still. Schritt für Schritt gibt die Kamera – nach Einblendung des Titels – mehr Kontext frei: das Papier, auf dem geschrieben wird, das Schreiben, das Trocknen des Papiers. Wir fühlen uns an japanische oder chinesische Kalligrafie erinnert: Also an ein Ritual, das die Entstehung eines Kunstwerks begleitet. Kalligrafie ist eine stark expressive Kunstform, bei der es um die Entwicklung eines persönlichen Ausdrucks innerhalb bestimmter Kader geht.
Cordula Riegers THE GALLERY dokumentiert die gleichnamige Aktion des FLINT-Kollektivs (Frauen, lesbische, inter, non-binary und trans*-Personen) femplak_wien (Feministische Plakate Wien). Mitglieder des Kollektivs thematisieren – gemeinsam und solidarisch – ihre individuellen Erfahrungen sexualisierter Gewalt. Das, worüber jahrelang geschwiegen werden musste, wird aufgeschrieben und wortwörtlich ausgestellt. So entsteht im öffentlichen Raum (nämlich unter der Reichsbrücke, sowie virtuell auf dem instagram-Kanal vom femplak) das Gesamtbild allgegenwärtiger geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Protagonist*innen finden zu ihrem jeweiligen spezifischen Ausdruck, zuerst in der Schrift, Buchstabe für Buchstabe, Blatt für Blatt, dann auch akustisch. Sie erzählen aus dem Off, aus einer Geschichte werden viele, die einander überlagern und gemeinsam in einen mehrstimmigen Chor münden. THE GALLERY verknüpft behutsam die Puzzlestücke – Gesichter, Geschichten, Stimmen – und baut den großen kollektiven Kontext. (Sylvia Szely)
The Gallery
2021
Österreich, Frankreich
8 min
Hybrid
Englisch, Deutsch
Englisch, Deutsch, Französisch