Crater
Es beginnt mit einem plötzlichen Loch im Boden. Wie die Erzählerinnenstimme am Anfang von Adina Camhys Crater darlegt, hat sich über Nacht ein Erdloch in ihrer Wohnung aufgetan – ein Negativraum, die Spur oder Narbe eines mysteriösen Ereignisses. Dazu sehen wir, wie im Rest des stringent komponierten Filmessays, angeeignete Bilder von zunächst ungeklärter Herkunft. Erst am Ende des aus einer Kooperation mit Dan Robert Lahiani entstandenen Werks erfahren wir, dass das Material vorwiegend aus Quellen der NASA, von einem Geoinformations-Hersteller, diversen YouTube-Kanälen oder der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem stammt. Was all diese Fundstücke verbindet, ist einerseits das Voice-over-Narrativ, das anhand diverser Krater-Erscheinungen auf der Erde und im Weltall einen reflexiven Bogen spannt: Tiefe und Abgrund als Zeugnis vergangener Gewaltmomente. Andererseits lassen die oft grobkörnigen, auch über ihre Oberflächenstruktur verzahnten Bilder vielfach Fehlstellen vor Augen treten: visuelle Löcher als Widerparts eines vermeintlich omnipotenten Sehens.
Das musikalisch subtil akzentuierte Netz (Sounddesign: Margarethe Maierhofer-Lischka) breitet sich über weit entlegene Materien aus – und wird doch vom engen Umkreisen und multiperspektivischen Ausleuchten des Krater-Phänomens konzise zusammengehalten. Zentrale Rollen kommen dabei dem Ramon-Krater in der Negev-Wüste, dem israelischen Astronauten Ilan Ramon, der sich nach ebendiesem Krater benannt hat, sowie einer Zeichnung des Schoah-Opfers Petr Ginz zu, der die Erde von den Kratern des Mondes aus darstellte. All das und noch vieles mehr findet sich kongenial verflochten in dieser Meditation über „dynamische Memorials“, deren Negativität uns weiterhin auf Trab hält. An das reale Loch im Boden mag man sich irgendwann gewöhnt haben, die widerspenstigen Facetten des gedanklichen Phänomens lassen uns zurecht weiter unruhig bleiben. (Christian Höller)
Crater
2022
Österreich
15 min
Experimental, Essay, Dokumentarfilm, Kurzfilm
Englisch
Deutsch, Englisch