Pistoleras
Das Duell als archetypische filmische Anordnung: Schuss, Gegenschuss, zerdehnte Zeit, Konfrontation, Gewalt, Männer. In Pistoleras ist alles anders. Präzise gesetzte Zeichen – ein Score, der nach Italo-Western klingt, ein Kostüm aus Jeans und Cowboy-Hut – evozieren mit minimalen Mitteln eine ganze Kino-Tradition, um sie sogleich über den Haufen zu werfen. Die Einstellung ist (k)eine amerikanische. Breitbeinig steht das Cowgirl da, doch der schnelle Griff an die Hüfte – dahin, wo sonst der Colt hängt –, kriegt nackte Haut und weiches Fleisch zu fassen. Ovale Ausschnitte an beiden Seiten der Jeans erlauben entwaffnend intime Anblicke des weiblichen Körpers, die kein Male Gaze je in Szene zu setzen vermocht hätte. Während der Western sich zum Ende eines jeden Duells an mehr oder weniger barocken Todeschoreographien ergötzt, wandelt Pistoleras sich zum raffiniert-verschmitzten Spiegelspiel. Das Cowgirl stapft durch hohes Gras und ist sich selbst genug, ist Herausforderin und Herausgeforderte, ist eine, zwei, viele. Die agonale und spiegelbildlich aufgebaute Situation des klassischen Duells wird hier ausgerechnet mit Spiegeln außer Kraft gesetzt, seine Anordnungen in Unordnung gebracht und alle (Bild-)Verhältnisse in Verwirrung gestürzt. Die Zuschauerin fragt sich: Was ist real, was virtuell, was Fläche, was Raum? Spiegel sind ein Requisit mit langer Tradition im feministischer Experimentalfilm, als Werkzeuge der Selbsterkundung und -reflexion. In Pistoleras dienen sie jedoch keineswegs der Konstruktion von Abbildern, die identitätsbestätigend und -fixierend wären – nie ist im Spiegel das Gesicht der Protagonistin zu sehen, stattdessen Vielheiten, wie vom Wind bewegte Gräser, und Formlos-Ephemeres, wie die Wolken am blassgrauen Himmel. (Elena Meilicke)
Pistoleras
2023
Österreich
2 min