Ein Oktopus hat den Mond zerstört
Ein Oktopus hat den Mond zerstört – der Titel von Heidrun Holzfeinds Film fällt in einem Gespräch zweier Mädchen, die über ihren Ekel vor Maden reden, die sie beim Nüsse einsammeln finden. Sie nehmen an einem integrativen Lehrgang zu Agrarwirtschaft der Berliner August Sander-Schule teil. Schon 2004 hat die Regisseurin hier eine Fotoserie hergestellt; die aktuelle Arbeit, eine Weiterführung ihrer Auseinandersetzung mit den Themen Beruf, Integration und Bildungseinrichtungen, begleitet eine vielfältige Gruppe ein Jahr in der Berufsschule – beobachtet ihre Stärken, Beeinträchtigungen, Wünsche, Unsicherheiten, v.a. ihren Umgang miteinander und die Interaktion mit den Lehrenden in ruhigen, klaren Bildern.
Die Abschnitte werden oft mit Aufnahmen des Schulgartens, einer Oase in der Stadt und räumliches Zentrum des Films, im Wechsel der Jahreszeiten eingeleitet: Die Bilder zeigen Hochbeete und Scheibtruhen, Bäume im Schnee oder Sonnenschein, um dann oft recht nah, doch nie aufdringlich an die Jugendlichen und Lehrenden heranzurücken. Die Atmo aus Vogelgezwitscher und Autolärm verortet die Schule zwischen (Natur-)Idylle und den beruflichen Anforderungen in der Welt „da draußen“. Ruhige Einstellungen zeigen den Schulalltag – von Gärtnern bis Imkerei, von Mathematikstunden bis zu Schüler*innensprechtagen. Dabei fängt die Filmemacherin immer wieder Gespräche ein: während der Pausenzigarette, beim gemeinsamen Arbeiten oder in der Klasse mit den Lehrenden; über Musik oder Familie, aber auch Probleme und Konflikte. Die Lehrenden sind fast immer wertschätzend, die Lernsituation (fast verdächtig) idyllisch, nur einmal droht sie zu entgleiten, wird aber mit dem Hinweis auf Gäste (zwei Jugendliche, die schnuppern) rasch eingefangen.
Der Film ist ein feinfühliges Porträt einer eher randständigen Gruppe Jugendlicher zwischen Schule und Beruf, Kindheit und Erwachsensein. Der Titel bringt das Gemenge aus Wünschen, Sehnsüchten und Einschränkungen, mit denen sie zu kämpfen haben, wunderbar auf den Punkt. (Marie-Noëlle Yazdanpanah)
Ein Oktopus hat den Mond zerstört
2024
Österreich, Deutschland
90 min