Ich hab dich tanzen sehn
Die vierzehnjährige Margarita spaziert durch die Straßen, mäandernd bewegt sie sich in der menschenleeren Dämmerung eines Dorfs in Nordtirol. Durch die hell erleuchteten Fenster beobachtet sie den Alltag der Anderen. Unter ihrem Blick entsteht dabei ein Spiel zwischen Innen und Außen – nachahmen und vorgeben. (Eva Kirsch)
Heute, da soziale Medien den virtuellen Raum ins Private hinein rund um die Uhr sperrangelweit offenhalten, bekommt der klandestine Blick in reale Wohnräume einen neuen Reiz. Hinter Fensterscheiben und Blümchenvorhängen findet jenes Leben statt, das für keine Öffentlichkeit bestimmt ist: eine alte Frau spuckt in ein Schnapsglas, ein Mädchen spielt Klavier, eine Frau legt Wäsche zusammen. Die Normalität als Ereignis.
Sarah Pech, 1992 in Tirol geboren und zum Teil aufgewachsen, heute lebt sie in Hamburg, schickt in ihrem Kurzspielfilm eine Teenagerin – Margarita – in einer Sommernacht durch ihr Heimatdorf. Sie streunt und springinkerlt, sie lugt, jederzeit bereit, den Kopf einzuziehen, durch geschlossene Fenster. Von einem Mauervorsprung aus beobachtet sie eine Gartenparty, eine Tanzchoreographie, einen Buben, der einen französischen Satz sagt. Vielleicht eine Referenz auf die französische Nouvelle Vague, die die Schaulust und das Dahinplätschern des Lebens einer zwanghaften Handlungsproduktion entgegensetzte. Die Kunst besteht, auch in Ich hab dich tanzen sehn, in der Wahl des Blickes, im stummen Zwiegespräch zwischen Beobachterin und Beobachteten, im Sounddesign.
Reduziert auf „Guate Nacht“ oder „Des Hochbeet isch schen woarn“ führt das gesprochene Wort in Ich hab dich tanzen sehn ein Nischendasein. Es trägt zur Anti-Narration bei. Den filmischen Raum bestimmen Geräusche: Blätter rascheln, ein Gewitter grollt, Gänse schnattern und aus einem anderen Erdteil kreischen Dschungelvögel in die Tiroler Bergdorfnacht. Als Margarita irgendwann im Schein des durch vergitterte Fensteröffnungen leuchtenden Lichts Holz hackt, kommt ein nächtlicher Besucher zu ihr hinter den Stall. Was dann passiert, ist – auch im Lichte dessen, was bisher geschah – nahe liegend. In Tirol, wo die Anzahl der Äxte jene der E-Gitarren übersteigt, spielen die beiden Luftholzhacken: ohne Axt führen sie die Bewegungen am Hackstock aus, es reicht das Geräusch einer Metallklinge, die Holz spaltet. Diesem Film genügt die Vorstellung dessen, was die Realität spielt. (Anna Katharina Laggner)
Ich hab dich tanzen sehn
2024
Österreich, Deutschland
19 min