Ein Leben in Farbe
Wenn wir Eleanor das erste Mal begegnen, macht sie Fitnessübungen. Sie scheint ihr Leben in vollen Zügen zu genießen, besitzt eine farbenfrohe Garderobe, hält sich in Bewegung und tanzt gern. Jeder Tag, jede Stunde kostbar. Kann es sein, dass eine so energetische Frau schon 92 Jahre alt ist? Eleanor will am Leben festhalten und kann sich nicht zu einem Testament durchringen, denn: „I don’t believe in death“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam sie von Deutschland nach New York und baute sich eine Karriere als Innenarchitektin auf. Bekannt wurde sie dafür, heruntergekommene Lagerhallen in prächtige Event-Locations zu verwandeln; diese Fähigkeit erscheint im Verlauf des Films wie ein Spiegel für ihr ganzes Leben: Aus unscheinbaren Dingen vermag Eleanor etwas Wunderschönes zu zaubern. Erinnerungsstücke liegen überall verstreut, das personalisierte Ordnungsprinzip in ihrem Büro erzählt von ihrer freigeistigen Haltung. Dass der Gesellschaft ihre Beziehung zu einem jungen Kellner aus ihrem Lieblingsdiner Unwohlsein verursacht, ist dieser Frau bewusst und doch ziemlich egal.
Eines Morgens beschließt Eleanor, sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen. Weniger um anderen zu gefallen als sich selbst, und nicht zuletzt als weiteres Manifest ihres Lebenswillens. Doch während die Falten rund um ihre Augen verschwinden, brechen seelische Narben wieder auf, lässt Eleanor uns ihre Einsamkeit spüren. Niemals wird sie die Demütigungen ihres Vaters vergessen, die sie ihre ganze Jugend hindurch begleitet haben. Warum sie nie mit diesem Teil ihrer Geschichte Frieden schließen konnte, schält sich schließlich als quintessenzielle Frage des Films heraus. Ein Leben in Farbe zeigt, wie man die eigene Existenz in ihrer ganzen Unvollkommenheit umarmen kann. (Roman Scheiber)
Ein Leben in Farbe
2025
Österreich
71 min