Commute
„Commute“ meint gemeinhin „pendeln, umwandeln, austauschen“, und ein solches Wechselverhältnis nimmt auch Henry Hills’ gleichnamiger Film zentral ins Visier. Eisenbahntrassen, gefilmt aus dem Zugfenster, bilden den materiellen Boden einer in ständiger Bewegung befindlichen (Film-)Wahrnehmung. Hills pendelte mehr als zehn Jahre mit dem Zug zwischen Wien und Prag und konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Schienensträngen, die sich dem Blick seitlich darboten, mit seiner Bolex zu folgen. Gleise, mal einzeln, mal in Paaren, sich verzweigend, dann wieder schnurgerade, und jede Menge Schwellen, zu rasch vorüberziehend, als dass das Auge ihrer habhaft werden könnte: All das bildet den hochdynamischen und stupende durchrhythmisierten Grundstock dieser minimalistischen Hymne an die Bahnfahrt. Gekoppelt ist das ganze an eine ebenfalls schwellenhaft, soll heißen: staccatoartig collagierte Tonspur aus einer Unzahl von Musikfragmenten, quer durch Klassik, Jazz und Blues bis hin zu Country, Rock und Metal, worin die Rhythmen – und Mythen! – des Bahnfahrens immer wieder neu „enacted“ wurden.
Von da aus entfaltet die kunstvolle Montage ihre ganze Wirksamkeit und offenbart eine mehr als triviale Wechselseitigkeit von Film und Eisenbahnfahrt. So mutiert der Schienenstrang mit seinen Verstrebungen vor dem kaum folgen könnenden Auge zur Anmutung eines Zelluloidstreifens, der rasend an einem vorbeirattert. Umgekehrt umreißen die unterschiedlichen Bewegungsrichtungen, mal vor, mal zurück, dazu die Be- und Entschleunigung der montierten Bilder, ein elementares Sensorium in Sachen Mobilität. Zusammen mit dem bruchstückhaften Musikarchiv eines ganzen Jahrhunderts bildet sich so eine Synästhesie von ganz besonderer Bauart heraus: Sehnsucht und Geheimnis des vielfach beschworenen „Mystery Train“ finden darin zu ihren ureigensten, in materieller Rhythmik ankernden Anschauung. (Christian Höller)
Commute
2024
Österreich, Tschechien
9 min